WILHELM von STERNBURG: „JOSEPH ROTH"

Joseph Roth war einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und einer der geschliffensten und politisch hellsichtigsten Journalisten der Weimarer Republik. Vor nunmehr 70 Jahren starb der brillante Stilist in einem Pariser Armeleute-Hospital an den Folgen seines langjährigen exzessiven Alkoholmissbrauchs.

Wie es dahin kam und warum sich an seinem Grab jüdische Emigranten wie Katholiken, aber auch deutsche Sozialdemokraten, Kommunisten und österreichische Monarchisten darüber stritten, zu wem der weltberühmte Verblichene gehöre, beschreibt Wilhelm von Sternburg, früherer Chefredaktuer des Hessischen Rundfunks, in seinem hervorragend recherchierten Lebensbericht „Joseph Roth. Eine Biographie". Er bettet zunächst die prägende Herkunft Roths ein in die galizische Heimat am östlichen Rand der Donaumonarchie, wo er am 2. September 1894 geboren wurde, von vornherein mit einem Makel: der Vater soll schon jung geisteskrank geworden sein und wurde fortan totgeschwiegen.

Dennoch konnte der Spross einer deutschsprachigen jüdischen Familie ab 1913 in Lemberg studieren. Doch es zieht ihn bald nach Wien und nach einer kurzen Militärzeit wendet er sich dem Journalismus zu. Während er schnell zum gutbezahlten Star-Journalisten für verschiedene österreichische und deutsche Zeitungen aufsteigt, leidet er schwer am Untergang der k-und-k-Monarchie als Hort der Heimat und er ist befallen von dieser typischen späthabsburgischen Melancholie. Zugleich gehört er zu den vielen Opfern der Wirren um die jüdische Herkunft aus einem der nach dem Weltkrieg von Österreich abgetrennten Gebiete mit einem ständigen Kampf um die Staatsangehörigkeit.

Biograph von Sternburg beschreibt eindrucksvoll das Umfeld Roths im Kleinen wie im Großen und lässt dabei die vielen Facetten des Kulturpessimisten mit dem einzigartigen Weitblick und der grandiosen Sprachgewalt deutlich werden. Schon Anfang der 20er Jahre schreibt er meist in Cafés und muss spätestens ab 1925 als Alkoholiker gelten. Depressionen und Alkoholismus durchziehen Roths Leben mit immer drückenderen Folgen und während die körperlichen Molesten ständig zunehmen, findet sich Alkohol auch in fast sämtlichen seiner 15 Romane in wichtigen Rollen

Roths Privatleben ist chaotisch und er gibt sich später die Schuld dafür, dass seine Ehefrau Friederike bereits nach wenigen Jahren wegen schwerer pschischer Störungen in eine Anstalt eingeliefert werden muss. Doch der ebenso charmante wie großzügige Erfolgsautor – der trotzdem immer wieder in Geldnöten schwebte – hatte auch in seinen anderen Frauenbeziehungen große Probleme, nicht zuletzt aufgrund seiner extremen Eifersucht.

Zu den vielen Widersprüchen seines Lebens gehören aber auch die Legenden, die der Heimatlose selbst um sich aufbaute und die von Sternburg hier so weit wie möglich entwirrt. Das geht bis hin zum Monarchistischen, dem Roth vor allem seit der Machtübernahme der Nazis frönte. Auf die er im Übrigen noch am selben Tag durch Emigration reagierte. Und er schreibt an seinen Gönner und Freund Stefan Zweig: „Machen Sie sich keine Illusionen. Die Hölle regiert."

Roth aber fährt geradezu manisch fort mit dem Schreiben und setzt vor allem immer wieder der untergegangenen Donaumonarchie unvergessliche literarische Denkmäler mit Romanen wie „Radetzkymarsch". Um dann jedoch mit dem „Hiob" einen wahrhaft alttestamentarischen Jahrhundertroman zu verfassen, der allein ihn schon unsterblich macht. Wilhelm von Sternburg jedoch würdigt ähnlich eindrucksvoll auch das virtuose journalistische Wirken Roths in gut 1500 Artikeln zwischen 1919 und dem erbarmungswürdigen Tod im Mai 1939. Und der erfahrene Biograph schildert in seiner ebenso sachlichen wie lebendigen Art Werk und Vita des Genies so anschaulich und verständlich, dass man umgehend wieder zu einem der Meisterwerke Joseph Roths greifen möchte.

 

 

# Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie; 559 Seiten, div. Abb.; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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