ALICE GREENWAY: „WEIßE GEISTER"

Es ist eine höchst sinnliche Idylle, erfüllt von exotischen Gerüchen, Geräuschen und Lichtmalereien, die die Schwestern Kate und Frankie in Hongkong erleben. Anfangs scheint alles unbeschwert für die 13-jährige Ich-Erzählerin und die etwas ältere Frankie, doch man schreibt das Jahr 1967 und mag die distanzierte Mutter die latent drohenden Gefahren von maoistischen Provokateuren in der britischen Kronkolonie oder auch von auch nicht weit entfernten Vietnam-Krieg zu ignorieren versuchen – die Idylle wird schon bald zerbrechen.

Zunächst treiben die Schwestern noch abenteuerliche Spielchen, leben privilegiert, während ihr Vater in Vietnam als Kriegsfotograf für das „Time"-Magazin arbeitet. Weiße Geister nennt die raubauzige chinesische Haushälterin die unbekümmerten Mädchen und „Weiße Geister" heißt auch dieser ungeheuer eindrucksvolle Debütroman der US-Autorin Alice Greenway, die selbst Jahre ihrer Kindheit in Hongkong verbrachte. Doch die Realität zerbricht die Unbeschwertheit der „Geheimnisschwestern" bald auf drastische Weise, als sie mit einer hässlichen Wasserleiche konfrontiert werden. Die ohnehin schon schwierige Frankie bricht nun immer mehr aus und so geraten sie in einen Sprengstoffanschlag, mit dessen psychischen Folgen sie nicht fertig werden.

Während Ich-Erzählerin Kate sich immer mehr in sich zurückzieht und die Nähe eines tauben Chinesenjungen sucht, entwickelt die frühreife Frankie eine fatale Sucht nach Aufmerksamkeit, bei der sie hemmungslos ihren erblühenden Körper einsetzt. Diese Gier ist es schließlich, die in einem tragischen Unglück gipfelt, als der vom Kriegserleben erschütterte Vater endlich einmal wieder die Familie besucht. So wie die Welt um sie herum in Aufruhr ist, so gerät auch ihre private Welt aus den Fugen und für Kate endet die Kindheit auf traumatische Weise.

Alice Greenway erzählt das Alles ebenso atmosphärisch dicht und lebensprall wie melancholisch. Das ist von faszinierender Bilderstärke und überzeugt bis zur letzten Zeile präzisen Beschreibungen und Glaubwürdigkeit. Fazit: ein außerordentlich vielversprechendes Debüt.

 

# Alice Greenway: Weiße Geister (aus dem Amerikanischen von Michael Gutzschhahn); 221 Seiten; marebuchverlag, Hamburg; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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