BENJAMIN BLACK: „DER SILBERNE SCHWAN"

Booker-Preisträger John Banville zählt zu den größten zeitgenössischen irischen Autoren, doch wenn er sich in die vermeintlichen Niederungen eines Krimis begibt, tut er dies unter dem Pseudonym Benjamin Black. Und als der legt er nun mit „Der silberne Schwan" erneut Zeugnis dafür ab, dass Krimi und hochkarätige Literatur einander keineswegs ausschließen.

Wieder steht der seit langem verwitwete Garret Quirke im Mittelpunkt, der als Pathologe am Dubliner Hospital zur Heiligen Familie arbeitet, und es ist ein drückend schwüler Sommer in den 50er Jahren. Quirke hält sich seit einem halben Jahr nüchtern und ist entsprechend grantig. Dennoch trifft er sich auf einen Anruf hin mit Billy Hunt, in dem er dann einen alten Schulkameraden erkennt. Der spricht ihn an wegen seiner jungen Frau Deirdre, die er soeben identifizieren musste, nachdem sich sich offenbar ertränkt hat.

Hunt bittet den für solche Aufgaben zuständigen Pathologen eindringlich, von der obliatoirischen Obduktion abzusehen, aus glaubhaften emotionalen Gründen. Der Selbstmord sei offensichtlich, auch wenn die Inhaberin des Schönheitssalons „Der silberne Schwan" zuvor nicht depressiv wirkte und auch keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat. Quirke verspricht seine Unterstützung, doch seine notorische berufsbedingte Neugier lässt ihn den Vorsatz schnell vergessen und tatsächlich entdeckt er den kaum merklichen Nadeleinstich im Arm der Toten.

Der Eigenbrötler verschweigt seinen Fund aber sogar dem ermittelnden Inspector Hackett gegenüber und beginnt stattdessen selbst zu schnüffeln. Dabei begegnet er gleich zwei Männern, die offenbar einen nicht eben günstigen Einfluss auf die vom viel reisenden Ehemann offenbar viel zu oft allein gelassene junge Frau hatten. Mysteriös ist der selbsternannte Geistheiler Dr. Hakim Kreutz mit der deutsch-indischen Herkunft, der sie mit der islamischen Sufi-Religion vertraut machte und zugleich selbst allerlei geheimnisvollen Aktivitäten nachging. Ungleich normaler erscheint dagegen Deidres Geschäftspartner Leslie White, denn dieser schräge Weiberheld hat sie einfach nur in jeder Hinsicht ausgenutzt.

Doch nichts ist hier wirklich einfach oder gar gradlinig, wenn die vielschichtige Geschichte aus Sicht der verschiedenen Protagonisten erzählt wird und Quirke in immer mehr dunkle Abgründe der Gesellschaft schaut. Vieles entpuppt sich als doppelbödig und Autor Black legt so manche falsche Fährte. Und baut unerwartete Komplikationen auf, wenn der Gauner White sich ausgerechnet an Quirkes entfremdete Tochter Phoebe heranmacht und der wiederum Gefallen an Whites Frau findet.

Viel Athmosphäre, verschlungene Handlungsebenen und starke Charakterzeichnungen sorgen dabei für ein komplexes Krimigebilde, das weniger von der Action als von der eindringlich fesselnden Entwicklung des Erzählten lebt. Das hat Qualität und Tiefe und bereitet ein anspruchsvolles Lesevergnügen.

 

# Benjamin Black: Der silberne Schwan (aus dem Englischen von Christa Schuenke); 416 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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