THANT MYINT-U: „BURMA. DER FLUSS DER VERLORENEN FUßSPUREN"

Wenig weiß man im Westen über Burma, denn das große asiatische Land mit seinen über 50 Millionen Menschen und hunderten von Ethnien lebt seit Jahrzehnten unter einer harten Militärdiktatur, ist außenpolitisch isoliert und durch unfassbare ökonomische Inkompetenz trotz reicher Naturschätze zu einem der ärmsten Länder der Welt geworden.

Aufmerksamkeit erregte dieses geheimnisumwitterte Land mit der uralten Tradition allerdings im Herbst 2007, als das Aufbegehren zehntausender rotgekleideter Buddhisten-Mönche gegen das Regime niedergeschlagen wurde. Und dann im Mai 2008, als mit dem Zyklon Nargis die größte Naturkatastrophe in der Geschichte Myanmars – wie Burma seit 1989 wieder heißt – unzählige Opfer kostete und die Militärs regelrecht gezwungen werden mussten, um internationale Hilfe ins Land zu lassen.

Um so wertvoller ist nun der Bericht von Thant Myint-U unter dem Titel „Burma. Der Fluss der verlorenen Fußspuren", den der in den USA geborene Historiker „Eine persönliche Geschichte" nennt. Dabei kann er auf Erlebnisse seiner Vorfahren zurückgreifen, denn U Thant, burmesischer Generalsekretär der UNO von 1961 bis 1971, war sein Großvater. Doch er beginnt mit Frühzeit und Mittelalter der wechselvollen Geschichte des Vielvölkerstaates, dessen König Ava 1882 die letzte Chance auf eine Zukunft als unabhängiger Staat verspielte.

Nach drei Grenzkriegen machten die Briten das bis heute für den Westen fremdartig gebliebene Land zu einer Kolonie als Teil Britisch-Indiens. Mit beißender Kritik schildert Myint-U, wie erfolgreich aber zugleich brutal und wenig ehrenhaft die Kolonialherren mit dem traditionsreichen Land umgingen, das sie verächtlich „HinterIndien" nannten und dem sie den Ruf einer wenig nützlichen Aschenputtel-Kolonie verpassten. Die Hälfte des mitreißenden Geschichtsbuches ist denn auch der Neuzeit gewidmet, dem Aufbegehren im letzten Jahrhundert, als man sogar die japanischen Eroberer unterstützte, nur um die britische Herrschaft loszuwerden, und dann den Weg in die Unabhängigkeit durch den Volkshelden Aung San.

Doch auch die letzten 60 Jahre Burmas waren von Bürgerkriegen, Armut und Unterdrückung geprägt. Spannend ist da der Aufstieg von Aung San Suu Kyi zur Heldin eines demokratischen Burma, die jedoch trotz überwältigendem Wahlsieg und Friedensnobelpreis 1991 seither hilflos unter Hausarrest steht und wohl nur deshalb persönlich unangetastet blieb, weil sie die Tochter Aung Sans ist. Zuguterletzt geht der Autor auch auf einen entscheidenden Grund für die Zählebigkeit der dumpfen Militärdiktatur ein – China ist der große Nutznießer all dessen, was Burma zu bieten hat.

In einem Nachwort, das Myint-U drei Monate nach der Naturkatastrophe vom Mai 2008 verfasste, umreißt er seine Vorstellungen eines erfolgreichen Umgangs mit Burma und plädiert dabei für eine Politik des Wandels durch Annäherung. Fazit: ein fesselndes Porträt zu einem Land, von dem wir zu Unrecht viel zu wenig wissen.

 

 

# Thant Myint-U: Burma. Der Fluss der verlorenen Fußspuren. Eine persönliche Geschichte (aus dem Amerikanischen von Yvonne Badal); 526 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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