CHIEW-SIAH TEI: „DER PAVILLON DER SPRINGENDEN FISCHE"

Chiew-Siah Tei ist die in Malaysia geborene Tochter chinesischer Eltern, gewann Preise für ihre Lyrik, lebt jetzt in Schottland und legt mit „Der Pavillon der springenden Fische" ihren großartigen Debütroman vor. Dieser titelgebende Pavillon dient dem jungen Mingzhi als Zuflucht, wo ihn ni9emand stört, wenn er sich in den geliebten Büchern eine neue Welt eröffnet.

Als erstgeborener Enkel des Feudalherrn Chai soll Mingzhi einst Mandarin werden, um Reichtum und Ansehen der Familie noch zu mehren. Doch der junge Mann wächst in Chinas entscheidender Umbruchphase auf, die 1875 einsetzt, als der erst 19-jährige Kaiser Caichun stirbt und seine Mutter, die Kaiserinwitwe Cixi die Regentschaft übernimmt. Noch bemüht sich das Reich der Mitte um Isolation, doch es hat bereits erste Opiumkriege mit den „Langnasen" aus dem Westen gegeben und der Vater Mingzhis gehört zu den Millionen Chinesen, die der Opiumsucht verfallen sind.

In diesem klassischen Entwicklungsroman steht jedoch Mingzhi im Mittelpunkt und seine Zerrissenheit zwischen den alten Strukturen und Idealen in Familie und Staat und den Gedanken der neuen Zeit. Wie er unter den Zwängen der Traditionen und den strengen Erwartungen vor allem vom alles bestimmenden Großvater leidet und sich dann allmählich für ein gänzlich anderes Leben entscheidet, das fesselt auf eine beinah introvertierte Weise, denn die Autorin verbindet das nüchterne Berichten des Geschehens mit der poetischen Art des chinesischen Erzählstils.

Das intensive Empfinden des Authentischen wird noch gesteigert durch Mingzhis heimliche Freundschaft zu dem britischen Kaufmann Martin, aber auch die Begegnungen mit dem irischen Pater Terry hinterlassen starke Spuren beim ebenso sensiblen wie intellektuellen Mingzhi. Weder in seinem familiären Verhalten als liebender Ehemann mit nur einer Frau, noch in seinem Amt als Mandarin erfüllt er an der Schwelle zur Moderne noch die Erwartungen der alten Generationen.

Und es kommt die Zeit des großen Widerstreits zwischen den Traditionalisten und den Reformkräften bis zu jener schicksalhaften Entwicklung, als sich 1899 die Boxer, die „Fäuste der gerechten Harmonie", erheben. Deren Aufstand die bis dahin blutig bekämpften 'fremden Teufel' ein Jahr später so gründlich niederschlagen, dass das Kaiserreich China danach nur noch für einige Jahre auf dem Papier besteht.

Chiew-Siah Tei macht diese Ära in den Figuren des Mingzhi und seiner Mitspieler dank brillanter Charakterzeichnungen und einer eindringlichen Prosa, die etwas fernöstlich Bezauberndes hat, lebendig. Man spürt die Liebe der Autorin zum Land ihrer Vorfahren und ist fasziniert durch diesen so anderen, chinesischen Blick auf eine im Westen oft verkannte Epoche im uralten Reich der Mitte.

 

# Chiew-Siah Tei: Der Pavillon der springenden Fische (aus dem Englischen von Claudia Feldmann); 413 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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