LAUREN GROFF: „DIE MONSTER VON TEMPLETON"

An dem Tag, als ich, knietief in der Schande, nach Templeton zurückkehrte, tauchte im Flimmerspiegelsee der über 15 Meter lange Kadaver eines Ungeheuers auf." Es ist die 28-jährige Wilhelmina 'Willie' Upton, die nach einer Affäre mit ihrem Professor bei archäologischen Grabungen in Alaska vor dessen Frau flüchten musste und nun schwanger im Haus ihrer alleinstehenden Mutter Vi unterkommt.

Das ist der Auftakt zu Lauren Groffs Debütroman „Die Monster von Templeton", der im Nu Spannung und einen unterschwelligen Zauber freisetzt. Willies Mutter war der Sonnenschein der einst angesehenen und wohlhabenden Familie, bis sie mit knapp 18 als Hippie-Girl aus San Francisco heimkam, schwanger von drei möglichen Väter aus der Wohngemeinschaft und durch einen Unfall gerade zur Vollwaise geworden. Während das Provinzkaff im US-Staat New York sich an der Bergung des Ungeheuers delektiert, beginnt Willie eine ganz andere Art der Archäologie, denn sie will unbedingt herausfinden, wer ihr Vater ist.

Daraus wird eine hinreißende Mischung aus historischem und Gesellschaftsroman mit einem Anflug von Schauerelementen. Tief taucht Willie ein in immer neue Geheimnisse der Familie aber auch der Stadt. Die hatte einst der berühmte Vorfahre Marmaduke Temple gegründet und auch er kommt um das Jahr 1800 zur Frühzeit der Besiedelung zu Wort. Und Willie zeichnet Familienstammbäume, die sich nach und nach vervollständigen und im Buch ebenso abgebildet sind wie vermeintliche alte Familienfotos, wodurch zu der dichten Athmosphäre der verschiedenen Erzählebenen weitere Elemente des Authentischen kommen.

Dunkle Rätsel, aufwühlende Geheimnisse und sogar eine symbolische Fehlgeburt bereichern das raffiniert entworfene Puzzlespiel. Wenn sich das allmählich zu einem faszinierenden Gemälde zusammenfügt, bedauert man als Leser sehr, dass sich dieser erstaunliche Debütroman schon dem Ende zuneigt. Das Alles entwickelt mit einem mal urkomischen, mal melancholischen Esprit eine unentrinnbare Sogwirkung. Lauren Groff hat einen ganzen wunderbaren Kosmos geschaffen samt Seeungeheuer und einer Fülle überzeugender Protagonisten.

Fazit: ein solch originelles und virtuos geschriebenes Debüt ist selten und die elegante Übertragung ins Deutsche trägt das Ihrige bei zu einem wahrhaft exzellenten Lesevergnügen.

 

# Lauren Groff: Die Monster von Templeton (aus dem Amerikanischen von Judith Schwab); 507 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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