DOMNICA RADULESCU: „ZUG NACH TRIEST"

Es ist der Sommer 1977 nach dem schweren Erdbeben in Rumänien, als die 17-jährige Mona zu ihrer Tante in die Karpaten fährt und sich dort in den geheimnisvollen grünäugigen Mihai verliebt. Doch selbst hier in den malerischen Bergen, wo Hunger und Armut noch nicht so drückend sind wie in den Städten, spürt selbst die selig verliebte Mona zunehmend die tiefe Furcht, die das brutale Ceaucescu-Regime mit den allgegenwärtigen Schergen der Securitate verbreitet.

Damit beginnt Domnica Radulescu ihren bewegenden Debütroman „Zug nach Triest" und schon bald schimmert durch die Glücksgefühle die ständig wachsende Verunsicherung und Angst durch. Und das umso mehr, als Mona wieder daheim in Bukarest ist, wo ihr Vater als Universitätsprofessor und heimlicher Dissident besonders unter der Verfolgung der Geheimpolizei zu leiden hat. Auch für die noch naive Ich-Erzählerin tut sich diese unentrinnbare Paranoia auf, denn immer wieder fallen Freunde und Bekannte seltsamen Unfällen zum Opfer.

Mona wird Zeuge eines „Besuchs" der gewalttätigen Geheimpolizisten, die mit Vorliebe schwarze Lederjacken tragen. Um so größer ist für sie der Schock und der sich daraus nährende Zweifel, als sie eines Tages ihren geliebten Mihai in genau solch einer Jacke sieht. Doch es ist nicht nur dieses die gesamte gesellschaft zersetzende Misstrauen eines jeden gegen jeden, das das Leben immer unerträglicher macht, es herrscht auch ein zynisches System der Sippenhaft. Als dann ihr Vater vorübergehend inhaftiert wird, ist Mona klar, dass sie Rumänien verlassen muss.

Nur mit den Kleidern am Leibe und einer Handtasche besteigt sie den titelgebenden Zug nach Triest, jener Freiheit verheißenden italienischen Hafenstadt gleich jenseits der jugoslawischen Grenze. Über eine Hilfsorganisation gelangt Mona schließlich in die USA, wo das Ehepaar Gladys und Ron sie fürs erste als Paten in Chicago aufnehmen. Von diesen seltsamen Leuten setzt sie sich jedoch bald ab und schafft es mit viel Intelligenz und Ehrgeiz auf die Universität. Zugleich werden die himmelweiten Unterschiede zwischen dem Leben im freien Amerika und der ideologisch verbrämten rumänischen Diktatur deutlich.

Mona wird zur US-Bürgerin, erlebt einige Jahre eines eher bescheidenen Eheglücks samt zweier Kinder. Dennoch bleiben ein schales Gefühl und ein unterschwelliges Heimweh. Als die Ehe dann zerbricht, kommt eine ungestillte Sehnsucht hinzu und eines Tages nach der blutigen Befreiung Rumäniens reist sie in die Heimat zurück. Auch in der Hoffnung, auf so manche ungeklärte Frage endlich eine Antwort zu finden.

Es ist unschwer zu erkennen, dass offenbar viel Autobiografisches in diesen höchst auhentischen Roman eingeflossen ist, denn Domnica Radulescu ging einen ähnlichen Weg wie Ich-Erzählerin Mona. Als Professorin für romanische Sprachen ist ihr ein Debüt voller intensiver Gefühle und überzeugender Gedanken gelungen, das sofort fesselt und mit viel Sprachzauber und wunderbaren Naturbeschreibungen ein großes Lesevergnügen bereitet.

 

# Domnica Radulescu: Zug nach Triest (aus dem Amerikansichen von Christian Seiler); 400 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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