PHILIP SNIJDER: „SONNTAGSGELD"

Es sind arme Menschen, die da seit Generationen in ihren schmalen, windschiefen Häusern auf der Insel Bickerseiland mitten in Amsterdam leben zu jener Zeit Ende der 60er Jahre, als der Junge Philip dort aufwächst. Doch bei aller Beengtheit, dem Suff, der Arbeitslosigkeit und dem Mief kleiner, ungebildeter Leute – es herrscht eine gewisse Geborgenheit, ein hemdsärmeliges Gefühl der Zugehörigkeit.

Wie man sich darin wohlfühlen kann und wodurch man das gefährdet, das schildert Philip Snijder in seinem Debütroman „Sonntagsgeld". Und wenn er dies als namenloser elfjähriger Ich-Erzähler tut, dann darf man zu recht davon ausgehen, dass sehr viel Autobiographisches darin steckt. Was nun das ominöse Sonntagsgeld angeht, das muss man sich als Kind gewissermaßen erarbeiten. Ein jedes hat seine Paten in der Nachbarschaft und etwa ab dem sechsten Lebensjahr gibt es diese Art Belohung dafür, dass man der Patenfamilie einen Besuch abstattet und eine Mindestzeit in artigem Wohlverhalten ausharrt.

Von solchen Sonntagen erfährt man in plastischen Beschreibungen, von den typischen Gerüchen nach Schweiß, Essen, nach verräucherten Stuben mit zu vielen Menschen darin. So manche Begebenheit aus großen Kinderaugen geschildert, lässt schmunzeln. Doch es gibt auch Spannungen, gerade für den Ich-Erzähler, weil er still, sensibel und sogar ein guter Schüler ist. Und damit irgendwie etwas anders als die Anderen. Was gar nicht gut ankommt und sogar mit Scheu und gewisser Verachtunge aufgenommen wird. Wie schon bei Philips Vater, der auch als „komisch" gilt, weil er intelligenter ist und lieber Zeitung liest, als mit den anderen Männern auf Kneipentour zu gehen.

Philip Snijder beschreibt diese nicht immer nur schönen oder humorigen Erinnerungen mit großer atmosphärscher Dichte und exzellenten Milieuschilderungen und man spürt den schmerzlichen Prozess, in dem er selbst diesem auf seine Weise behaglichen Mief entwuchs. Fazit: ein kleiner bezaubernder Roman, der durch seine Echtheit überzeugt.

 

# Philip Snijder: Sonntagsgeld (aus dem Niederländischen von Eva Schweikart); 17 2 Seiten; Claassen Verlag, Berlin; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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