JÖRG NAGLER: „ABRAHAM LINCOLN"

Am 12. Februar 2009 jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des wohl größten Präsidenten der USA, Abraham Lincoln (1809-1865). Viel ist schon über ihn, sein Leben und sein politisches Schaffen geschrieben worden. Dennoch liegt jetzt mit Jörg Naglers „Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident" eine Biographie vor, die Anlass zur Begeisterung gibt und selbst für Kenner noch manch neue Erkenntnisse offenbaren dürfte.

Über fünf Jahre hat Nagler, seines Zeichens Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und renommierter Nordamerika-Experte, in Archiven und Bibliotheken geforscht und den Wust von Literatur zu Lincoln analysiert. Herausgekommen ist dabei ein glänzend geschriebenes Porträt, das in wohltuender Sachlichkeit ganz in jenem ebenso lebendigen wie profunden Stil der angelsächsischen Geschichtsschreibung überzeugt.

Um dem Handeln sowie den Visionen und Überzeugungen des 16. US-Präsidenten gerecht werden zu können, widmet der Historiker zunächst der Zeit bis zur ersten Amtseinführung am 4. März 1861 viel Raum. Bekannt ist die ärmliche Kindheit, doch Nagler lotet auch die tieferen familiären Verhältnisse aus mit dem Konflikt zwischen dem schroffen Vater, mit dem der so gänzlich anders geartete, intellektuell ausgerichtete Abraham nie ein Verhältnis fand, wogegen ihn mit der Stiefmutter große Herzlichkeit verband. Es ist ein bewegtes, entbehrungsreiches Leben für die Familie und wie später noch etliche Male überschatten plötzliche Todesfälle das Leben des ernsten jungen Mannes, was seinen Hang zu Depressionen zumindest gefördert haben dürfte.

Sehr detailliert aufgeführt wird der Weg des Autodidakten, der nur minimalen Schulbesuch genießen konnte, bis hin zum erfolgreichen bürgerlichen Rechtsanwalt und zum engagierten Politiker. Eine große „emotionale Intelligenz" bescheinigt der Biograf dem auf Ehrbarkeit pochenden Lincoln, der an die Macht des Wortes glaubte und dies auch mit ausgefeilter Rhetorik und Redne auf literarischem Niveau erfolgreich einzusetzen wusste. Man könne Lincolns Präsidentschaft nur verstehen, wenn man dessen politische Vorgeschichte und die immens wichtige Illinois-Connection kenne, betont der Historiker, und verweist insbesondere auf „eine geradezu religiös verankerte demokratische Überzeugung" hinter dem Handeln des aufrechten Präsidenten.

Das ungemein Spannende dieser Biographie wiue überhaupt zu Lincolns Lebenszeit ist die Epoche, in der er aufwuchs und die er entscheidend auch für die spätere Weltpolitik prägte. In einem gewaltigen und unglaublich dynamischen Prozess veränderte sich Nordamerika von 1800 bis zum Ende des Bürgerkrieges 1865 geografisch, politisch, gesellschaftlich und auch im wirtschaftlichen Gefüge. So tiefgründend und detailliert der Autor auf die komplexe Persönlichkeit und das Privatleben Lincolns eingeht, so exakt schildert er auch dessen Amtszeit und den fast exakt denselben Zeitraum einnehmenden Brügerkrieg.

Der als Bewahrer und Veränderer skizzierte Politiker hatte sich bereits 1837 erstmals explizit öffentlich aus tiefer Überzeugung gegen die Sklaverei geäußert und so zeichnete sich die Abspaltung der sklavenhaltenden Südstaaten schon drohend ab, bevor er überhaupt ins Amt kam. Biograf Nagler versteht es exzellent, neben den konkreten politischen und militärischen Ereignissen die moralische Haltung und die psychischen Belastungen Lincolns darzustellen, dessen Schwächen und Fehler dabei ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Ziel des Präsidenten war neben dem Erhalt der Union unbedingt auch die Befreiung der rund vier Millionen Afroamerikaner, doch lange galt sein Streben, sie danach in ihre Heimat zurückzuschicken. Erst die farbigen Soldaten seiner Armeen brachten ihn schließlich zu der Einsicht, dass Weiße und Schwarze tatsächlich zu einer Nation zusammenwachsen könnten. Bei allem Schwanken bei dem ein oder anderen Entschluss aber zeichnete „Honest Abe" (ehrlicher Abraham) stets eine hohe moralische Integrität aus, während er als Pragmatiker zugleich auch ein glänzender Taktiker mit politischer Weitsicht war, der sein Credo für die Demokratie während des Bürgerkrieges in der berühmten Gettysburg-Rede mit den unvergesslichen Worten von einer „Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk" postulierte.

Fazit: eine brillantere Biographie zu einer der größten Persönlichkeiten der Weltgeschichte ist kaum denkbar.

 

# Jörg Nagler: Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident; 464 Seiten, div. Abb.; C.H. Beck Verlag, München; € 26,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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