STEFAN KLEIN: „DA VINCIS VERMÄCHTNIS"

Wenn sich der renommierte Wissenschaftsjournalist Stefan Klein „Da Vincis Vermächtnis" widmet, so tut er es nicht mit einer weiteren Künstlerbiographie sondern mit einem Sachbuch mit dem sinnigen Untertitel „Wie Leonardo die Welt neu erfand". Dem vielfach gewürdigten Werk des Malergenies gewährt er nur insoweit eine wichtige Würdigung, als er Leonardos wegweisende Techniken erläutert, die das Gemälde der Mona Lisa und andere so einzigartig und vorbildhaft machten.

Als Künstler steht er neben Michelangelo und Raffael auf einer Stufe mit den bedeutenden Künstlern der Renaissance, obwohl sein Oevre mit 21 Gemälden vergleichsweise klein war. Doch Leonardo hinterließ auch an die 10.000 Blätter mit Zeichnungen, Skizzen und Beschreibungen sowie Notizbücher, die sein anderes Genie erkennen lassen, jenes, das ihn zum womöglich größten Universalgenie der Neuzeit machte. Mag er als Maler auch die Kunst der Renaissance revolutioniert haben, so öffneten seine bahnbrechenden Entdeckungen, Erfindungen und Entwürfe die Türen zu einem neuen Zeitalter des Denkens und der Wissenschaft.

Leonardo, 1452 als unehelicher Sohn eines Notars und eines Bauernmädchens geboren, begann mit 14 eine Bildhauerlehre, war ansonsten jedoch zeitlebens Autodidakt und besuchte nie eine Universität. Dennoch war er mit seinem Tun der wichtigste Wissenschaftler einer ganzen Epoche, für die mit seiner Art zu forschen eine neuzeitliche Methodik in Gang setzte, während er als Architekt sowie als Erfinder von teils atemberaubend modernen Maschinen und als Tüftler und Ingenier seiner Ära weit voraus war. Vieles wurde damals noch gar nicht verstanden, vieles gab entscheidende Anstöße für spätere Entwicklungen und manches musste er geheimhalten, um nicht in gefährliche Widersprüche zur dogmatischen Kirche zu geraten.

Wie die Untersuchungen zur Anatomie, bei denen er heimlich und verbotenerweise Leichen sezierte und faszinierende Studien skizzierte bis hin zum Fötus in der Gebärmutter. Der ohnehin für Autorität wenig empfängliche Skeptiker nahm in seinem ungebremsten Wissensdrang eine Fülle von modernen Erfindungen vorweg bis hin zu Unterseebooten und dem Fliegen, aber auch solcher heute scheinbar selbstverständlichen Entwicklungen wie Landkarten in der Draufsicht – sein Plan der Stadt Imola scheint wie vom Flugzeug aus festgehalten!

Entscheidende Fähigkeiten Leonardos waren dabei außergewöhnliche visuelle Begabungen beim räumlichen Vorstellungsvermögen bis hin zum 3-D-Sehen, wie auch für Zusammenhänge, Verknüpfungen und Funktionsweisen. Modern ausgedrückt war er geradezu spielerisch in der Lage zu vernetztem und kreativem denken, was es ihm auch leicht machte, fast sämtliche Aufzeichnungen in Spiegelschrift zu verfassen – um sich vor Ideendieben zu schützen, aber auch vor klerikalen Schnüfflern.

Autor Stefan Klein versteht es hervorragend, mit leicht verständlichen Erläuterungen das geniale Schaffen Leonardos darzulegen und auch die Untersuchungen namhafter hinzugezogener Wissenschaftsexperten eröffnen immer neue Überraschungen dieses Mannes, für den das künstlerische Genie quasi nur eine große Gabe neben noch viel größeren Begabungen war. Fazit: Leonoardos Vermächtnis ist eine Offenbarung für jeden denkenden Menschen und bietet auch 490 Jahre nach seinem Tod noch immer erstaunlich viel Neues.

 

# Stefan Klein: Da Vincis Vermächtnis oder Wie Leonardo die Welt neu erfand; 336 Seiten, div. Abb.; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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