NANA MOUSKOURI: „STIMME DER SEHNSUCHT"

Vor ihrem ersten öffentlichen Auftritt auf dem US-Flugzeugträger „Forrestal" am 4. Juli 1957 vorm Hafen von Piräus schlug der Organisator die Hände über dem Kopf zusammen über die 22-Jährige, die zum Nationalfeiertag singen sollte. Kein Wunder, denn sie war übergewichtig, trug ein unförmiges Kleid und eine große Schmetterlingsbrille. Am Ende des Konzerts aber wurde diese Nana Mouskouri von den Ehrengästen und den 4000 Mann Besatzung für die mit kristallklarer Stimme vorgetragenen Jazzsongs umjubelt.

So ungewöhnlich die Karriere der griechischen Sängerin startete, so außergewöhnlich entwickelte sie sich auch und das mit bis heute 250 Millionen verkauften Tonträgern. Und wer diese warmherzige und allürenfreie Künstlerin mit der am Athener Nationakonservatorium geschulten Stimme einmal erlebt hat, kann sich keinen größeren Gegensatz vorstellen als den zur einzigen Sängerin, die noch erfolgreicher im Musikgeschäft war: Madonna.

Wenn Nana Mouskouri nun ihre Memoiren unter dem Titel „Stimme der Sehnsucht. Meine Erinnerungen" mit besonders viel Engagement gerade in Deutschland vorstellt, hat das einen guten Grund, denn der eigentliche Start ihres Welterfolges fand hier statt. 1961 eroberte sie die Herzen der Deutschen mit „Weiße Rosen aus Athen" und diesem Millionenseller folgten fünf weitere Titel, die es bis in die Top Ten schafften. Damit war und ist sie zwar unentrinnbar in der Schublade der Schlagersänger gefangen, doch das gilt zu ihrem Glück nur für den deutschsprachigen Raum. Zudem war es kein Geringerer als Herbert von Karajan, der den Weltstar 1984 in die Berliner Philharmonie einlud.

Allerdings hatte sie auch sonst nur noch einen nennenswerten Hitparaden-Erfolg in Großbritannien. Dennoch konnte sie über 300 gold-, platin- und diamantveredelte Schallplatten aus aller Welt entgegennehmen, ihr riesiges, auf über 1500 Titel geschätztes Repertoir füllte jedoch meist Alben vom Chanson und Volkslied über Arien und Kunstlieder bis hin zum geliebten Jazz. Bescheiden, wie man sie kennt, schildert sie ihre Anfänge aus bettelarmen Verhältnissen mit einem spielsüchtigen Filmvorführer als Vater, ihre Kindheit im von der Wehrmacht besetzten Athen, aber auch die immer neuen Begegnungen mit berühmten Kollegen und Förderern wie Quincy Jones oder Harry Belafonte.

Mit Selbstbewusstsein und äußerer Strahlkraft nicht eben gesegnet – erst später wurde sie zur schlanken, attraktiven Frau – versank die Welt jeweils erst hinter ihr, wenn sie den ersten Ton gesungen hatte. Und sie brauchte ihr ewiges Markenzeichen, die große, grundsätzlich schwarzumrandete Brille. 1964 ließ sie sich zum Auftritt 'ohne' im berühmten Pariser Club „Bobino" überreden – zwei furchtbare Abende, dann weigerte sie sich, jemals wieder brillenlos aufzutreten.

Doch der Weltstar, zu dessen Fans selbst ein Bob Dylan zählt, hatte auch seine quälenden Probleme, denn als Griechin ihrer Generation galt es geradezu als Schande, die Karriere der Familie voranzustellen. Darüber zerbrach dann auch die erste Ehe mit dem griechischen Ehemann Giorgios und ihre beiden Kinder musste sie viel zu oft den Kindermädchen überlassen. Andererseits engagierte sie sich auch politisch, so seit 1993 als UNICEF-Sonderbotschafterin und von 1994 bis 1999 war sie sogar Europa-Abgeordnete für Griechenland.

Mit einfachen, unprätentiösen Worten schildert die sympatische gebürtige Kreterin ihren bewegten Lebensweg, der sie durch die tiefe Leidenschaft zur Musik und diese einzigartige Stimme zu einer der populärsten zeitgenössischen Künstlerinnen machte. Es ist eine spannend zu lesende Vita, sei es über die vielen Karrierestationen, sei es wegen der Freundschaften zu vielen großartigen Kollegen wie Manos Hadjidakis, Maria Callas und Charles Aznavour bis hin zu Udo Lindenberg.

 

# Nana Mouskouri: Stimme der Sehnsucht. Meine Erinnerungen (aus dem Französischen von Ulrike Lelickens); 470 Seiten, div. Abb.; Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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