DANIEL SCHWARTZ: „SCHNEE IN SAMARKAND"

Ein wohl einzigartiges Buch mit räumlich und zeitlichen Reiseberichten legt der international renommierte Fotograf Daniel Schwartz mit dem großvolumigen „Schnee in Samarkand" vor. 20 Jahre ist er durch ganz Asien gereist, da wo Weltgeschichte geschrieben wurde und die der Zukunft sich gegenwärtig formt. Acht Jahre hat er an diesem „Reisebericht aus dreitausend Jahren" - so der Untertitel – gearbeitet.

Überall in Zentralasien ist er unterwegs gewesen und er war 1987/88 der erste Europäer, der die gesamte Chinesische Mauer entlanggezogen ist. Manche seiner Reisen waren 'nur' abenteuerlich, wenn er vergessenen Routen der Siednestarße folgte, durch die Wüste Taklamakan oder übers Kaspische Meer fuhr oder aber schwer zugängliche Orte wie kirgisische Gold- und iranische Kupferminen aufsuchte. Andere Reisen dagegen waren sogar verwegen und gefährlich, denn sie führten ihn in politisch brisante Gegenden, sei es Kashmir, Usbekistan, das chinesische Xinjiang mit seinen aufrührerischen muslimischen Ujguren oder in das Afghanistan der 90er Jahre, als dort noch die Taliban herrschten.

Den Wissensdurstigen trieben die großen Fragen der Gegenwart, denn hier in Zentralasien wurde zu Zeiten Alexander des Großen die Welt neu geordnet, hier lag vor 1000 Jahren der Schlüssel zur Weltherrschaft und so mancher sieht das für heute wieder genauso. Und deshalb reiste Schwartz nicht nur räumlich sondern vertiefte sich dabei auch in jene Autoren, die wie Herodot, Ptolemäus, Marco Polo, Humboldt oder Lord Byron Ereignisse und Entwicklungen aus der Vergangenheit verständlich machen. Ganz wichtig war ihm dabei stets, den westlichen Sichtweisen auch jene der Chinesen, Araber und anderer Völker der Region gegenüberzustellen.

Erst allmählich wird das ganze Ausmaß an Unverständnis oder Missverstehen gegenüber diesem unbekannten Kontinent bewusst, wenn man diese von altem und neuem Wissen wie auch von den Reportagen aus unmittelbarer Innenansicht geprägten Darstellungen liest. Seit 3000 Jahren stehen sich hier die Völkerschaften selten friedlich gegenüber und Schwartz stellt die Informationen aus der Vorzeit denen der Gegenbart entgegen, beschreibt eigene Eindrücke aus Erle bnissen und Begegnungen, wie sie in den Medien selten oder nie erscheinen. Da gibt es geradezu realsatirische Begebenheiten mit Einheimischen aber auch ISAF-Truppen oder Verhaltensweisen, die westliche Denkgewohnheiten schlicht übersteigen.

Wichtig ist bei dem Geschilderten zu spüren, dass der Autor bei all diesen außergewöhnlichen Erkundungen nicht den aufregenden Kick als Weltenbummler sondern Erkenntnis suchte. Wenn er dann diese aktuellen, politischen, historischen und kulturellen Aspekte mit der Kraft der Vernunft, der nüchternen Analyse und der persönlichen Erfahrung verknüpft, erschließt Schwartz dem ebenfalls wissensdurstigen Leser die mutmaßliche Schlüsselregion der gegenwärtigen Weltgeschichte auf sehr eigene Art mit ungewöhnlicher Transparenz.

Gewöhnungssache ist dabei zunächst der Stil der Darlegungen, denn die Themen mäandern zeitlich und sachlich durch die Kapitel und es braucht Geduld, sich in das erst allmählich zu durchschauende Geflecht hineinzufinden. Mit eingefügten 'Regieanweisungen' in Form von Hinweisen, Verlautbarungen oder Querverweisen wird dieses grandiose quasi-enzyklopädische Lebenswerk eines intellektuell Wissensdurstigen zu einer Herausforderung, die jedoch alsbald süchtig macht. Dass das gewaltige Werk des Fotografen nur 14 Schwarzweiß-Fotos enthält, ist bei dem Füllhorn des ausgebreiteten Wissens im Übrigen kaum der Erwähnung wert.

# Daniel Schwartz: Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren; 992 Seiten, div. Abb.; Eichborn Verlag, Berlin; € 49,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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