DEON MEYER: „WEIßER SCHATTEN"

Lemmer ist 42, saß vier Jahre wegen Totschlags ab und arbeitet als harter maulfauler Bodyguard gewissermaßen im Schatten von Leuten, die meinen, jemanden wie ihn zu brauchen. Wie jetzt die attraktive Emma la Roux. Er sieht in ihr eine wohlhabende flippige Afrikaaner-Ziege, während sie ihrerseits ihn für recht einfach hält. Er soll sie in den Krüger Nationalpark begleiten und er hofft auf einen schnellen harmlosen Job. Doch kaum haben sie sich ein wenig aneinander gewöhnt und den Park erreicht, wird Emma angeschossen und schwer verletzt.

Ungeheuer dynamisch zieht Südafrikas bester Krimi-Autor Deon Meyer den Leser in seinem neuen Roman „Weißer Schatten" in den Bann eines komplexen Falles, der seine Wurzeln in der Vergangenheit hat, als das Apartheids-Regime noch gnadenlos mit Willkür und Rassenverachtung herrschte. Offenbar ist es doch keine Spinnerei, dass Emma in den Fernsehnachrichten über einen mörderischen Wildschützer ihren seit 1986 verschollenen Bruder Jacobus zu erkennen meinte – dessen Odyssee als Freund eines seinerzeit verfolgten Schwarzen in die exzellente Dramaturgie einfließt.

Und Lemmer, der in einer lieblosen Kindheit Härte gelernt hat, gibt einem altgewohnten Gefühl nach: er will Rache, auch wenn die Gegner offensichtlich sehr weit oben sitzen und skrupellos ihre Killer aussenden. Eine bis zuletzt undurchsichtige Rolle in dieser massiv von Gewalt, Korruption und Misstrauen zerrissenen Gesellschaft der Nach-Apartheids-Ära spielt dabei der schwarze Kommissar Phatudi. Während Lemmer einerseits seine in langen Jahren als Bodyguard für hochrangige Politiker antrainierten Kampfqualitäten mit gleicher Brutalität und List einsetzt wie die Gegner, erzählt er andererseits in bewegenden Passagen der im Koma liegenden Emma von seinem Leben, das von der jüngeren und gegenwärtigen Geschichte Südafrikas intensiv geformt wurde.

So fesselt dieser mit atmosphärischer Dichte und meisterhaften Charakterzeichnungen glänzende Thriller gerade auch mit den vielschichtigen realen Aspekten der schuldbeladenen gesellschaftlichen Verwerfungen vor und nach dem großen Umbruch Mitte der 90er Jahre. Die lebensnahe Sprache des Autors überzeugt dabei auf ihre lakonische Weise und findet zugleich poetische Momente für die wilde Schönheit des faszinierenden Landes. Diese Kombination erinnert dann an einen großen Bruder im Geiste, an Ernest Hemingway, und Deon Meyer mit ihm zu vergleichen, erscheint nicht als zu vermessen.

 

# Deon Meyer: Weißer Schatten (aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann); 421 Seiten; Rütten & Loening Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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