KLAUS MODICK: „DIE SCHATTEN DER IDEEN"

Als der unter einer Schreibblockade leidende Schriftsteller und Übersetzer Moritz Carlsen durch seinen alten Studienfreund Hocki die Einladung als Gastdozent ans Centerville College in Vermont erhält, greift er sofort zu. Die Reise in die USA mitten im Irak-Krieg ist vom ganz normalen US-Wahnsinn begleitet und auch vor Ort wird oppositionelles Denken vorsichtigerweise lieber durch Pragmatismus ersetzt.

So fast anekdotenhaft setzt Klaus Modicks neuer Roman „Die Schatten der Ideen" ein, doch während sich der deutsche Gast gerade an die lästige Pflichtübungen des allgegenwärtigen Patriotismus zu gewöhnen versucht, macht er einen Fund, der zu irritierenden Erlebnissen führt. In dem Haus, in dem er untergebracht ist, stolpert er in einer Gewitternacht in ein Kellerregal und hält unversehens ein Manuskript und Unterlagen aus den späten 40er Jahren in Händen.

Es sind Aufzeichnungen des Historikers Julius Steinberg, der als jüdischer Wissenschaftler aus Nazi-Deutschland fliehen musste, hier jedoch nach Handlangerjobs beruflich und privat sein Glück fand. Aber auch ein schmähliches Ende, als er unverschuldet in die infame Maschinerie der McCarthy-Verfolgungen geriet. Der regimetreue Professorenkollege Harding sorgte dafür, dass er wegen angeblicher unamerikanischer Tätigkeiten ins Gefängnis musste. Nach dem späteren angeblichen Unfalltod der Steinbergs scheinen auch sämtliche Spuren seiner Arbeit am College getilgt worden zu sein und niemand mag sich an ihn erinnern, wie der neugierig gewordene Carlsen entdeckt.

Und er recherchiert weiter, kommt jenem Harding auf die Spur, aber auch unbekannten Kräften in die Quere. Schließlich lodert die Hysterie des fanatisch überspannten Sicherheitsdenken jetzt in der Hochzeit des Irak-Krieges ähnlich virulent wie in jener Ära, als die amerikanische Demokratie schon einmal eine hässliche Fratze bekam. Die Gegner greifen selbst zu solch filmreifen Mitteln wie einer Bettspionin, um Carlsen auszubremsen, mehr soll hier jedoch nicht von dem sich ständig zuspitzenden Geschichtskrimi verraten werden.

Der Autor knüpft die Fäden intelligent, mit der von ihm gewohnten Spracheleganz und mit viel Hintergrundwissen. Geschickt bindet er auch eine fiktive Freundschaft Steinbergs mit dem damals wirklich im Vermonter Exil lebenden Carl Zuckmayer mit ein, aber auch die profunden Kenntnisse Modicks aus eigenen längeren USA-Aufenthalten fließen in das erschreckend authentische Geschehen ein. Fazit: wehe, wenn Sicherheitsfanatismus den demokratischen Rechtsstaat in ein Korsett aus Misstrauen und blindwütiger Überwachungshysterie steckt – dieser hevorragend gelungene Roman sollte Warnung genug sein, ein hohes Lesevergnügen ist er ohnehin.

 

# Klaus Modick: Die Schatten der Ideen; 455 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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