JAMES ROBERTSON: „DER TEUFEL UND DER KIRCHENMANN"

Die Autobiographie eines Pfarrers, der nie an Gott geglaubt hat und stattdessen dem Leibhaftigen begegnet sein will, das hört sich nach einer plakativ erfundenen Geschichte an, und auch der Titel „Der Teufel und der Kirchenmann" lässt beinah eine brave Fabel vermuten. Doch weit gefehlt, denn dieses Testament des Gideon Mack – so auch der Originaltitel des neuen Romans von James Robertson – ist eine bewegende Lebensbeichte, die von Seite zu Seite mehr fesselt.

Dabei beginnt der Autor das raffiniert aufgebaute Buch mit einer Art Vorwort des Verlegers, dem die über 300-seitige Niederschrift des zuletzt für Monate verschwundenen Pfarrers zur Veröffentlichung angeboten wird. Der Diener der Schottischen Nationalkirche war zuletzt aus dem Dienst im Städtchen Monimaskit geworfen worden, denn nach einem mysteriösen Unfall hatte er öffentlich erklärt, nie an Gott geglaubt und außerdem mit einer verheirateten Frau seines Sprengels geschlafen zu haben. Obendrein erzählt er, dass ihn der Teufel persönlich errettet habe, nachdem er in den reißenden Wildbach Keldo Waters gestürzt war.

Macks Beichte setzt allerdings zunächst ganz chronologisch ein und beschreibt eine Kindheit und Jugend in der frostigen Athmosphäre im Pfarrhaus seines hartherzigen Vaters, der kategorisch das Recht des Menschen auf Glück verneint. Aufatmen kann das Einzelkind erst, als es zur Universität geht und sogar Freunde findet. Die heimlich angebetete Elsie tut sich jedoch mit seinem Freund John zusammen, so dass für ihn nur die stille Jenny bleibt. Ausgerechnet diese ähnlich nichtgläubige Freundin Elsies gibt ihm den entscheidenden Anstoß, statt Lehrer gegen alle Zweifel doch Geistlicher zu werden, als sie fragt: „Warum muss man eigentlich an Gott glauben, um Pfarrer zu werden?"

Während der Pfarrerberuf also fast einer insgeheimen Rache am Vater gleichkommt, ist aber auch die Ehe mit Jenny wie fast alles in Macks Leben „auf einer hochkomplexen Lüge aufgebaut". Die ein Autounfall abrupt beendet, wonach es sogar zu einem schamlosen Fehltritt mit Elsie kommt. Die wahre schicksalhafte Wendung aber trifft Gideon bei einem Trainingslauf für einen weiteren seiner vielen Benefiz-Marathonläufe, als er erstmals den Monolithen sieht, eine riesige Steinsäule, die vorher nicht dort war und die offenbar nur er sieht. Und es kommt jener Spaziergang mit der Kollegin Lorna, bei dem ihr Hund fast in die Schlucht fällt und Gideon bei dessen Rettung ins Bodenlose stürzt.

Aber er ist nicht tot, sondern erwacht in einer Höhle und um ihn ist Er – es kann nur der Teufel persönlich sein. Die Schilderung der drei Tage Gideons mit dem Satan sind schlicht hinreißend, denn der Höllenchef braucht keinen Schwefelgeruch oder Pferdefuß, er ist vielmehr von charismatischer Höflichkeit und Intelligenz und dabei zugleich des Bösen und der Menschen überdrüssig. Obendrein bedauert er seinen Gegenspieler aufrichtig: „Wirklich, Gott kann einem leidtun. Was für Leute bleiben ihm noch? Fanatiker und Bekloppte aller Fraktionen." Als Gideon später im Krankenhaus erwacht, ist er ein Anderer geworden, denn nun reißt er mit gnadenlosem Wahrheitsdrang sein ganzes Leben ein.

Noch im Laufe der kirchlichen Untersuchungen, nach denen er als Abtrünniger des Amtes enthoben wird, verschwindet er spurlos. Doch was ist die Wahrheit, was Einbildung, was Lüge: war Gideon Mack ein Verrückter oder hat der Ungläubige das erlebt, auf dem der Glaube maßgeblich aufgebaut ist – etwas Übernatürliches? Das ist bis zuletzt furios geschrieben, bewegt und wirft tiefgründige Fragen auf. Zugleich ist das Ganze exzellent in einer klaren, zuweilen deftigen Sprache verfasst, wobei Pfarrer in dem subversiven Meisterwerk besonders schlecht wegkommen. Fazit: ein grandioses Stück Literatur, über das man noch lange nachdenken wird.

 

# James Robertson: Der Teufel und der Kirchenmann (aus dem Englischen von Marcus Ingendaay); 477 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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