ANNE GOLON: „ANGELIQUE: DIE JUNGE MARQUISE"

Angélique de Sancé ist zurück! Gemeint ist wirklich die junge Baroness, die in den insgesamt 13 Angélique-Roman der französischen Journalistin Anne Golon im 17. Jahrhundert zur Zeit des Sonnenkönigs Louis XIV üerschäumende Abenteuer erlebte. Doch jenen, die nun die Nase rümpfen ob der vermeintlich trivialen Schmöker fürs eher einfache Volk seien gleich mehrere Argumente entgegengehalten.

Als die Autorin Anfang der 50er Jahre den historischen Roman vorbereitete, recherchierte sie mit geradezu wissenschaftlicher Gründlichkeit. Daraus entwickelte sich ein exzellentes und bis in letzte Feinheiten ausgeleuchtetes Zeit- und Lokalkolorit, das eine Voraussetzung dafür setzte, dass aus dem Roman quasi der Prototyp der vielen späteren Historienromanen mit starken Frauenfiguren wurde, die ihren Erfolg vor allem auch aus authentischen Szenerien realer historischer Ereignisse bezogen.

Die opulente Bildhaftigkeit und die durchgehend straffe, mitreißende Dramaturgie samt überzeugender Akteure bei gut aufgebauten Abenteuern und Romanzen erreichten immerhin ein literarisches Niveau, das selbst die kritische „Times" seinerzeit auf eine Stufe mit Alexandre Dumas stellte. Abträglich waren der Qualität der Originalfassung einerseits Kürzungen und 'Entschärfungen' in der Übersetzung, wie sie den betulichen 50er Jahren geschuldet waren. Andererseits waren die fünf französischen Verfilmungen zwar erfolgreich, aber typisch überbunt und schwülstig und für die heutige Erinnerung an die viel differenzierteren Buchvorlagen eine doch recht unglückliche Belastung.

Anne Golon, die übrigens jahrzehntelang um die ihr zustehenden Rechte und um angemessene Honorare für die weltweiten Millionenauflagen kämpfen musste, hat die Bände jetzt überarbeitet, ergänzt und die ursprüngliche Reihenfolge wiederhergestellt. Auch jetzt erscheint wie 1956 – Weltpremiere hatte „Angélique" in Deutschland, erst 1957 folgte Frankreich! - der zunächst 900 Seiten starke erste Band aufgeteilt in „Angélique: Die junge Marquise" und „Angélique: Hochzeit wider Willen". Der Auftaktband führt in die Welt der Tochter des verarmten Barons Armand de Sancé im Poitou ein, deren Idylle nicht nur durch die drückenden Sorgen des Vaters sondern auch durch die Gefahr von streundenden Räuberbanden und marodierenden Soldaten ständig bedroht ist.

Sancé lässt sich auf einen üblen Handel ein, indem er die blutjunge Angélique dem Grafen de Peyrac zur Frau gibt, einem reichen Mann von zweifelhaftem Ruf, obendrein hinkend, entstellt und zwölf Jahre älter als sie. Damit beginnt eine der dramatischsten Liebesgeschichten der Weltliteratur, die die ebenso unerschrockene wie leidenschaftliche Heldin bis an den Hof des Sonnenkönigs führt. Dort regieren in den Wirren des aufkommenden Absolutismus Intrigen, Lasterhaftigkeit und Prunksucht, wie ohnehin dieses Jahrhundert eines der bewegtesten der neueren Geschichte war.

Band 1 reicht bis zum Vorabend der ersten Begegnung Angéliques mit dem künftigen Gemahl, doch das Warten wird kurz sein, denn Band II folgt bereits Ende August und die weiteren sollen ebensfalls zeitnah folgen. Obendrein schreibt Anne Golon inzwischen an eine Art Abschlussband. Fazit: das Abenteuer „Angélique" lebt wieder auf, frischer und farbiger denn je und ein absolutes Muss für alle Freunde des lebensprallen Historienromans vor realem Hintergrund.

 

# Anne Golon: Angélique: Die junge Marquise (aus dem Franzöischen von Nathalie Lemmens); 351 Seiten; Blanvalet Verlag, München; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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