W. CHURCHILL: „KREUZZUG GEGEN DAS REICH DES MAHDI"

Ein Jahr, nachdem die britisch-ägyptische Streitmnacht unter Oberbefehlshaber Herbert Kitchener 1898 das Mahdi-Regime im Sudan zerschlagen hatte, erschien das Buch „The River War" zum Thema und wurde ein Bestseller. Zugleich war es der erste große Bucherfolg für seinen Autor Winston Leonard Churchill (1874-1965), den späteren britischen Premierminister.

Der damals gerade 24-Jährige war nicht nur selbst als Kavallerieoffizier in der Entscheidungsschlacht von Omdourman am 2. September 1898 im Einsatz, seine Mischung aus spannender Kriegsberichterstattung, sachlicher Geschichtsschreibung und Autobiographie entfaltet auch bereits die Meisterschaft, die ihm später den Literaturnobelpreis einbrachte, der zuvörderst dem mit großer Objektivität schreibenden Historiker galt.

Das brillante Frühwerk liegt nun endlich erstmals in deutscher Fassung vor und dabei seien zwei Kritikpunkte gleich vorweggenommen: der hier gewählte Titel „Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi" ist arg daneben, denn er suggeriert religiöse Motive oder gar Befreiungsvisionen wie bei Bushs Irak-Krieg. Beides trifft nicht zu und Churchill macht keinen Hehl daraus, dass es dem Vereinigten Königreich um machtpolitische imperiale Belange ging, dass aber auch Rache eine wichtige Rolle spielte, schließlich war die britische Niederlage im Mahdi-Aufstand von 1881 bis 1885 einschließlich der Ermordung General Gordons in Khartoum eine tiefe Schmach für das Weltreich gewesen.

Entsprechend fragwürdig sind auch die editorischen „Bereicherungen" seitens Übersetzer Georg Brunold durch Beifügungen von Passagen, die Churchill selbst bei späteren Auflagen seines Buches gestrichen hatte, sowie von etlichen Tendenzausführungen, um die ohnehin unübersehbare Aktualität des Themas eines religiös-fanatischen Krieges gegen den Westen mutwillig entgegen Churchills kühler Sachlichkeit auszuschmücken. Dessen Brillanz können diese Zusätze glücklicherweise nicht schaden, zumal die Übersetzung selbst der Sprachgewalt des Autors durchaus gerecht wird.

Die Größe des Werkes beruht schon auf dem exzellenten Aufbau, denn Churchill widmet sich zunächst dem Land Sudan und seiner Geschichte, vor allem aber dem Mahdi und den Gründen, warum dieser Muhammad Ahmad mit seinem religiösen Fanatismus einen solchen Sieg erringen und einen islamischen Gottesstaat errichten konnte. Die historische britische Niederlage beschreibt der Historiker dabei ebenso sachlich wie den Verfall des Mahdi als Person, der einerseits die neue Hauptstadt Omdourman errichten ließ und sich andererseits plötzlich bis zu seinem baldigen Tod sehr weltlichen Freuden hingab. Was jedoch auch nichts an der erbarmungslosen Gewaltherrschaft änderte, die sein Nachfolger fortführte.

Ebenso spannend folgen dann die Kriegsvorbereitungen von Kitchener, die zu einem militärgeschichtlichen Wendepunkt führen. Während Churchill selbst mit einer Reiterschwadron einen der letzten großen Kavallerieattacken vollzieht – in grandiosen Schlachtenbeschreibungen geschildert und der Autor mittendrin als Akteur! - erweisen sich die nur 8.000 Briten und 17.000 Ägypter den über 50.000 Derwischen der Mahdi-Armee dank modernster Schnellfeuerwaffen so überlegen, dass innerhalb von fünf Stunden fast 10.000 Derwische getötet werden bei kaum 500 britisch-ägyptischen Verlusten. Das Mahdi-Kalifat ist damit vernichtet.

Churchills erstaunlich kritische Ausführungen über die Schändung des Mahdi-Grabmals und anderer Fehlverhalten auf britischer Seite machen verständlich, warum Kitchener sich gegen die Teilnahme des jungen Leutnants an seinem Feldzug gewehrt hatte. Wenn der andererseits ganz selbstverständlich über Rassen- und Zivilisationsunterschiede und den „bemerkenswertesten Triumph der Waffen der Wissenschaft über das Barbarentum" spricht, so war das damals gänzlich zeitgemäß und wirkt erst aus heutiger Sicht politisch unkorrekt. Fazit: trotz der entbehrlichen editorischen Beigaben ein großartiges Buch eines ebensolchen Historikers und Stilisten.

 

# Winston Churchill: Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi (aus dem Englischen von Georg Brunold); 448 Seiten, div. Abb. und Karten; Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag, Frankfurt; € 34

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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