PINKAS BRAUN: „VORSPIEL"

Als Pinkas Braun die Oper „Schwanda, der Dudelsackpfeifer" sieht, will der 13-Jährige aus ungeordneten Familienverhältnissen unbedingt Schauspieler werden. Die Eltern, jüdische Emigranten in der Schweiz, trennen sich und der Junge bricht mit 16 die Kaufmannslehre ab, weil er in „Dantons Tod" Komparse werden kann.

So beginnt die lange erfolgreiche Karriere des Pinkas Braun, die dieser nun in der Autobiographie „Vorspiel. Eine Jugend – ein Bühnenleben" beschreibt. Dabei kommt allerdings seine Absicht voll zum Tragen, die Vorstufen seines Wunschberufs und die frühen Theaterjahre herauszuheben, statt sich mit späteren „Heldentaten" samt großer Namen zu brüsten, aus denen dieser Charakterkopf mit den zwingenden Augen und der markanten Stimme noch heute bestens bekannt ist.

Vor allem dokumentiert der Schauspieler und Regisseur eine Jugend in schwierigen Zeiten, denn er ist 10, als im benachbarten Deutschland Hitler an die Macht kommt, und er hat sich mit 16 soeben erstmals verliebt, als die Nazis den Zweiten Weltkrieg vom Zaune brechen. Er aber ist als Jude auch in der Schweiz Außenseiter und als angehender Schauspieler zusätzlich. Doch auch insgesamt verdüstert sich das Leben in dem friedlichen Land, einer Insel der Seligen, von denen jedoch viele zittern. Gerade diese Innenansicht des Lebens in dem nervös ausharrenden neutralen Land beim Wechsel des rundherum tobenden Kriegsgeschehens gehört zu den eindrucksvollsten Passagen dieser sehr persönlichen und gleichwohl unprätentiösen Autobiographie.

Doch auch die Lehrjahre des Schauspielers mit dem langsamen aber stetigen Aufstieg auf den Besetzungslisten sind plastisch geschildert und finden ihre Höhepunkte in Begegnungen mit großen Namen. Dabei erstaunt jene des gerade 25-Jährigen mit dem berühmten Bertold Brecht am meisten. 1948 zurückgekehrt aus dem Exil in den USA, will Brecht sein neues Stück „Herr Puntila und sein Knecht Matti" in der Schweiz zur Uraufführung bringen und Braun wird Regieassistent des „großen Theatermannes". Und ist alsbald irritiert und enttäuscht von diesem, als er entdeckt, dass dessen schmuddelige Arbeitsjoppen edle Maßanfertigungen aus New York sind, und Braun fällt das harsche Urteil: „Der bekennende Marxist war ein Proletarierdarsteller!"

Zu den vielen Meriten Brauns zählt insbesondere auch der Durchbruch des Dramatikers Edward Albee, den er als Übersetzer in Gang brachte. Als er später die Aufgabe des Exklusivübersetzers verlor, gehörte das für den feinnervigen Künstler zu den schmerzlichsten Verlusten seines Lebens. Auch diese Entwicklungen versteht Pinkas Braun ebenso fesselnd wie uneitel zu vermitteln. Fazit: ein facettenreiches Leben mit historisch hochspannenden Phasen findet eine literarische Würdigung.

 

# Pinkas Braun: Vorspiel. Eine Jugend – ein Bühnenleben; 407 Seiten; Nagel & Kimche, Zürich;

€ 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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