ELIOT PATTISON: „DAS RITUAL"

Nach seinen außergewöhnlichen Tibet-Krimis um Inspektor Shan legt US-Autor Eliot Pattison nun einen ganz andersartigen aber ähnlich spannenden Roman vor, der in die wilden Zeiten der britisch-französischen Kolonialisierung des amerikanischen Nordostens führt. „Das Ritual" spielt um 1759, als in den neuen Kolonien unablässige Kriege tobten, in die die europäischen Mächte die Indianerstämme hineinzogen.

Hauptfigur ist Duncan McCallum, junger Clansman und Arzt ohne Examen, den die Engländer zu sieben Jahren Haft wegen Hochverrats verurteilt haben, weil er einen Onkel versteckte, der auf schottischer Seite gegen die neuen Herren kämpfte. Duncan soll seine Strafe in Amerika verbüßen, doch schon auf der Überfahrt geschehen mysteriöse Morde und er entdeckt rituelle Zeichen indianischen Ursprungs, die er nicht deuten kann.

Duncan hört von Stony Run, wo es angeblich einen geheimnisvollen Kampf gegen die Indianer gegeben hat, und als er selbst in die Wildnis nach Edentown zur Ramsey Company gebracht wird, ahnt er, dass er womöglich als Lockvogel für seinen Bruder Jamie in die Kolonie New York geholt wurde. Jamie diente in der englischen Armee, ist aber zu den Indianern übergelaufen. In Edentown herrscht der selbstherrliche Lord Ramsey, doch auch finstere Offiziere und ein undurchsichtiger Geistlicher sorgen für ein unheilvolles Regiment.

Und Duncan stößt nicht nur auf Ramseys ebenso schöne wie eigenwillige Tochter Sarah sondern auch auf immer neue Geheimnisse um die Company. Wer die allerdings zu genau kennt, lebt sehr gefährlich. Ohnehin ist diese Zeit voller Kämpfe zwischen den europäischen Streitkräften, ihren indianischen Verbündeten, die teils alte Feindschaften austragen, sowie allerlei Kämpfern aus verschiedenen Einwanderergruppen. Und die Koalitionen sind brüchig, wie Pattison hier zeigt, wenn der Kampf zweier scheinbar seltsamer Verbündeter im Geiste sich gegen den einen gemeinsamen Feind, die Engländer, richtet: die Bande zwischen Schotten und Irokesen, beides Völker mit großer Kriegstradition, besonderem spirituellem Einschlag und ausgeprägtem Unwillen gegenüber Befehlen. Diese spezielle Beziehung beruht im Übrigen auf historischen Tatsachen, wie Eliot Pattison ohnehin exzellent recherchiert hat und das gesamte Geschehen in die authentische Urgeschichte der USA einbettet in jener Zeit des Aufbruchs in die Moderne.

Im Finale wird eine ungeheure Intrige aufgedeckt, doch bis dahin haben den Leser bereits viele bewegende Ereignisse gefesselt. Dabei zählen besonders die Szenen, in denen das Wissen, die Kultur und der Glaube der Indianer mit eindringlicher Magie ausgebreitet werden, zu den großartigsten Momenten dieses meisterhaften Romans.

 

# Eliot Pattison: Das Ritual (aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild); 542 Seiten; Rütten & Loening Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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