MAY CHIDIAC: „ICH WERDE NICHT SCHWEIGEN!"

May Chidiac wird im Libanon verehrt wie ein Popstar, dabei ist sie eine der berühmtesten Fernsehjournalistinnen ihres Landes und eine Symbolfigur für Unerschrockenheit in einem von Jahrzehnten des Bürgerkriegs und der politischen Zerrissenheit geprägten Landes. Im September 2005 wurde sie endgültig zur Legende, als sie ein Attentat per ferngesteuerter Autobombe überlebte. Trotz schwerster Verletzungen ging sie genau zehn Monate später wieder auf Sendung.

In ihrem Eigenbericht „Ich werde nicht schweigen!" schildert sie ebenso offen wie bewegend das grauenhafte Geschehen und wie sie das Leben neu für sich entdeckte. Natürlich ist sie dabei nicht neutral, denn wie schon vor dem Anschlag vertritt die Christin eine klare Haltung gegen den unseligen syrischen Einfluss auf ihr Land. In ihrer politischen Talkshow im christlich ausgerichteten Privatsender LBC sprach sie immer wieder brisante Themen an. An dem bewussten 25. September 2005 ging es um die offenbar vom syrischen Geheimdienst initiierte Ermordung des ehemaligen Premierministers al-Hariri und offenbar überschritt May Chidiac bei ihrer Suche nach der Wahrheit eine unsichtbare Grenze in ihrer ebenso unbekümmerten wie entschlossenen Art.

Ein kleiner Umweg in ihre Kirche und das Verstauen einer Weihwasserflasche auf dem Rücksitz ihres Geländewagens retteten ihr das Leben, als der Sprengsatz explodierte. Doch zu den schweren Verletzungen, die sie erlitt, gehörten der Verlust der linken Hand und des linken Beins. Fesselnd beschreibt sie das Entsetzliche und den Schock im Krankenhaus über die Verstümmelungen. Tiefe Einblicke in die Zeit der 26 Operationen, der Rehabilitation, des Anpassens der Prothesen und des Umgangs mit den Behinderungen verbindet die 41-Jährige mit Erinnerungen an die endlose Geschichte der Konflikte ihres Landes als multireligiöser Spielball zwischen den syrischen und israelischen Nachbarn sowie den Palästinensern innerhalb der eigenen Grenzen und dem mörderischen Bürgerkrieg: „Es war eine Leistung, morgens aus dem Haus zu gehen, ohne getötet zu werden."

Und die mutige Frau erklärt, warum sie fortfahren will in ihrem Kampf gegen die syrischen Interessen. Inzwischen mit dem Guillermo Cano Weltpreis der UNESCO für Pressefreiheit ausgezeichnet und noch vor der vollständigen Genesung geht sie wieder ins Studio und sie nennt ihre neue politische Sendung bewusst „Unerschrocken". Und mit einigem Stolz spaziert sie mit ihrer Schwester durch Beirut und macht aus ihrem Triumph über die gescheiterten Mörder keinen Hehl: „Wenn meine Stunde tatsächlich schon geschlagen hätte, wäre ich jetzt tot."

# May Chidiac: „Ich werde nicht schweigen!" (aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn); 256 Seiten; Blanvalet Verlag, München; € 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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