SIMON BOROWIAK: „WER WEM WEN"

Ein Ritt durch das Niemandsland zwischen Normalität und Vollmeise in virtuoser Bösartigkeit ist der neue Roman von Simon Borowiak. „Wer Wem Wen" macht aus einer hinlänglich ausgelutschten Filmvorlage von sechs Leuten auf einer Skihütte und ihren Paartänzen ein so schräges und makabres Kammerspiel, dass einem zuweilen fast das schadenfrohe Lachen im Halse stecken bleibt.

Der Icherzähler wird von Freund Cromwell, den er aus der Klapse kennt, zu dem Kurzurlaub in den Bergen überredet. Der schwer Depressive, der sich blind mit seinem sinnesverwandten Freund versteht, mustert und beschreibt die drei Normalos mit dem Röntgenblick des Durchtherapierten und da funkelt es im Dauerfeuer an messerscharfen wie trockenen Analysen. Cromwells unbedarftes Zickchen Alexandra hat da ganz schlechte Karten und das Ehepaar Susanne und Wido – sie halbwegs 'normal', er Paartherapeut mit verborgenen Macken – erlebt ebenfalls sein Waterloo.

Und dann stößt auch noch Heike hinzu, ruppig und gnadenlos geradeheraus. Während das dem Icherzähler imponiert, führt es endgültig zum Hickhack mit Folgen. Vor allem für das Ehepaar, denn Heike ist frisch getrennt von Guido, Widos Freund und mehr als das. Dem nörgeligen Icherzähler tut die extreme Situation so gut, dass er sogar in Gesellschaft Nahrung aufnehmen und ohne hammermäßige Medikamentierung schlafen kann. Wie es schließlich zu einer letalen Eskalation kommt, soll hier nicht verraten werden, denn selbst dieser eher blödsinnige Vorfall passt ins Bild.

Cromwell und sein Freund erweisen sich als „wahrheitsliebende Lügner" mit unerbittlicher Prägnanz. Dabei schonen sie auch sich selbst nicht und gerade der Icherzähler gibt so manchen Einblick in sein oberverkorkstes Seelenleben und seine Klapsenvergangenheit, der zwischen trocken galligem Humor und düsterer Melancholie schwankt, ohne je in Selbstmitleid oder Garstigkeit zu verfallen. Ja, man mag diesen kaputten Typen sogar zunehmend, obwohl er so gnadenlos alles und jeden seziert und obendrein mangels Körperhygiene ein rechtes Ferkel ist.

Autor Borowiak, der vor seiner geschlechtsangleichenden Maßnahme als Simone Borowiak für 'Titanic' schrieb und auch mit der bitterbösen Edelsatire „Frau Rettich, die Czerni und ich" glänzte, fasziniert in diesem kleinen Roman erneut mit ebenso biestig respektloser wie präzis gestaltender Sprachgewalt. Die Quintessenz schließlich: „Das kommt davon. Weil das Leben kein Geländer hat."

 

# Simon Borowiak: Wer Wem Wen. Eine Sommerbeichte; 184 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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