SEBASTIAN FITZEK: „DAS KIND"

Der Berliner Strafverteidiger Robert Stern ist sprachlos, als sich der von Ex-Freundin Carina angeschleppte neue Mandant als zehnjähriger Junge herausstellt, zerbrechlich und todkrank. Doch noch unfassbarer ist die ganz ernst gemeinte Aussage dieses Simon Sachs: „Ich brauche einen Anwalt. Ich bin ein Mörder."

Noch abstruser erscheint dem Juristen die Erklärung, dass das Verbrechen in einem früheren Leben geschehen sei, das wisse er aus einer so genannten Rückführung, die ihm Carina zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte. Um so entsetzter ist Stern jedoch, als sie auf der Industriebrache am bezeichneten Tatort tatsächlich die Leiche mit dem angegebenen gespaltenen Schädel finden. Natürlich kommt Stern in größte Erklärungsnöte bei seinem alten Widersacher Kommissar Engler, denn die Geschichte Simons taugt wenig gegenüber der Kripo.

Mit diesem Einstieg in bester Stephen-King-Manier eröffnet Sebastian Fitzek seinen neuen Thriller „Das Kind", der alsbald in ein infernalisches Katz-und-Maus-Spiel mit raffinierten Wendungen und Überraschungen mündet. Simons Erinnerungen an weitere Morde erweisen sich ebenfalls als erschreckend zutreffend und all diese Toten aus der Vergangenheit waren offenbar Verbrecher von geradezu psychopathischem Zuschnitt. Ist Simon also der Wiedergänger eines gnadenlosen Rächers?

Wenn, dann muss er es sein, der nun auf unbarmherzige Weise Stern mit den Schrecken seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Der erfolgreiche Jurist lebt privat als Eigenbrötler in einer feinen aber verwahrlosten Villa, seit vor zehn Jahren sein Sohn Felix noch auf der Entbindungsstation den plötzlichen Kindstod starb und auch seine Ehe darüber zerbrach. Der unbekannte Drahtzieher schickt ihm nun eine DVD mit Aufnahmen vom Sterben seines Sohnes – um von ihm ernstgenommen zu werden. Und damit sich Stern auf einen mysteriösen Handel einlässt, im Fall seiner Weigerung droht er ihm Schreckliches an.

Damit setzt eine atemberaubende Achterbahnfahrt ein, in der dieser wahrlich unheimliche Unbekannte Stern auf teuflisch perfekte Weise benutzt und lenkt. Der ist dabei durchaus kein strahlender Held und gerade deshalb um so glaubwürdiger, wie ohnehin sämtliche Charaktere exzellent gezeichnet sind. Auch ohne brutale Metzeleien und viel Blutvergießen sorgen die Geschehnisse wie auch die raffinierte Dramaturgie dafür, dass man diesen Roman keine Sekunde aus der Hand legen mag.

Fitzek zieht ein ausgeklügeltes Spiel auf und jagt dem Leser mit hinterhältigen Andeutungen und Szenerien kalte Schauer über den Rücken und lockt ihn zugleich wiederholt auf falsche Fährten. Fazit: ein ebenso abgründiger wie überzeugender Psychothriller auf Weltniveau, nichts für Zartbesaitete aber absolut filmreif.

 

# Sebastian Fitzek: Das Kind; 394 Seiten; Droemer Verlag, München; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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