S. AUDEGUY: „DAS LEBEN DES FRANCOIS ROUSSEAU, VON IHM SELBST ERZÄHLT"

Eine ebenso intelligente wie frivole Melange aus Fakten und viel Fiktion legt der französische Literaturwissenschaftler Stephane Audeguy mit seinem zweiten Roman „Das Leben des Francois Rousseau, von ihm selbst erzählt" vor. Vater Rousseau war Uhrmacher in Genf und sofern man diesen vermeintlichen Memoiren glaubt, hat dieser Francois nicht nur dessen Fertigkeiten der Mechanik geerbt sondern war auch der Bruder des berühmten Jean-Jacques, des großen Geistes der Aufklärung.

Tatsächlich erwähnt der Philosoph in seinen „Confessions" beiäufig einen Bruder Francois, jedoch habe dieser als moralisch missraten und früh verschollen gegolten. Audeguy aber greift eben dies genüsslich auf und lässt den 1705 geborenen Bruder Leichtfuß als 25-Jährigen mit bereits umfänglicher Lebenserfahrung in die Welthauptstadt des lustvollen Vergnügens kommen. Hier im Paris des Ancien Régime verdient sich der allen neuen Ideen gegenüber stets aufgeschlossene Francois zunächst im Luxusbordell der Madame Paris als Hausmeister die ersten Sporen.

Zu einem Karrieresprung besonderer Art wird dann die Übernahme einer in höheren Kreisen heimlich hochgeschätzten Werkstatt für allerlei teils abstruse mechanische Gerätschaften für lüsterne Vergnügungen bis hin zum – allerdings betrügerischen – Sexroboter. Doch der einfallsreiche Frauenfreund erfindet auch Sinnvolles für die Wissenschaft und kommt in Kontakt zu Kreisen hochgestellter freigeistiger Intellektueller. Als diese auffliegen, gerät Francois ebenfalls in die Fänge der Obrigkeit und landet in der Bastille. Während er hier den Auftakt der Französischen Revolution 1789 glatt verschläft, hat er andererseits eine Begegnung mit einem Mann, der ihn auf besondere Weise fasziniert: den dorthin verbannten Marquis de Sade. Und der Autor fügt es so, dass ausgerechnet Francois Rousseau der heimliche Retter des berühmt-berüchtigten de Sade-Romans „Die 120 Tage von Sodom" ist, indem er das en miniature geschriebene Manuskript erst vor den Wärtern versteckt und dann bei seiner Befreiung durch die revolutionären Horden hinausschmuggelt.

War dieser Altersbericht an den wiederholt erwähnten Bruder Jean-Jacques bis hierher ein lustvoller Schelmenroman, so geben die Schilderungen der Zustände, die zur Revolution führten und vor allem deren Gewaltexzesse durch das Volk und in dessen Namen der süffisanten Satire die nötige Tiefe, um ernstgenommen werden zu können. Bis zuletzt fesselt dieses in seinen erotischen Passagen mit lässiger Eleganz aber auch kenntnisreich in authentischem Stil gefasste Sittengemälde der französischen Gesellschaft in jenem aufregenden Jahrhundert der Aufklärung bis hin zum blutigen Reigen des Umbruchs mit Anarchie und Guillotine.

Mögen diese Memoiren auch weitestgehend erfunden sein, so sind sie höchst geistreich und unterhaltsam erfunden und allein schon das hinreißende Zeit- und Lokalkolorit lohnt die Lektüre. Die adäquate Übersetzung dieser lebensfrohen Geschichte schließlich krönt diesen Roman zu einem durch und durch sinnensfrohes Lesevergnügen.

 

# Stephan Audeguy: Das Leben des Francois Rousseau, von ihm selbst erzählt (aus dem Französischen von Elsbeth Ranke); 296 Seiten; SchirmerGraf Verlag, München; 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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