HESSELMANN/SCHRADER: „SLEEPING BEAUTIES"

Einen Garten Eden voller alter Edellimousinen fand der renommierte Fotograf Herbert W. Hesselmann vor, als er Anfang der 80er Jahre auf verschlungenen Pfaden das Refugium eines exzentrischen Autofreundes in einem französischen Dorf betrat. Nur unter dem Versprechen, nie den Ort dieser einzigartigen Kollektion oder den Namen des Eigentümers zu verraten, durfte er die Oldtimer fotografieren, die da vor sich hinrotteten, teils einfach so abgestellt, teils auch mitten in der nie fortgeführten Restaurierung begriffen.

Hesselmann konnte seine Fotos millionenfach verkaufen und erntete etliche Preise. Den mysteriösen „Pierre" und sein „Manoir de Rampart" verriet er nie, leider kamen jedoch andere Fotojäger dahinter und der Eigenbrötler verschwand 1995 samt seiner rund 50 Objekte umfassenden Sammlung über Nacht an einen seither auch dem Deutschen unbekannten Ort. Den Abtransport aber konnte Hesselmann noch bildlich festhalten und zusammen mit dem Automobilschriftsteller Halwart Schrader arbeitete er dieses ganz spezielle Automärchen nun auf.

Sleeping Beauties" heißt der opulente Bildband und zu recht erinnert der Titel an das Märchen vom Dornröschen, denn einen ähnlichen verwunschenen Eindruck machen die Bilder, die darin ausgebreitet sind. Da ranken Efeu und anderes Blattwerk um Kühlerhauben und Stoßstangen, Spinnweben verdecken Lenkrad und Radioknöpfe und überall breiten sich Moos und Unkraut auf einst edlen Karossen aus vom Alfa Romeo und Aston Martin über Bugatti, Jaguar und Lincoln Continental bis zu seltenen Panhards, veritablen Rolls Royce und einer urigen Tatra 87-Ostblocklimousine.

Manche Wracks scheinen unter ihrer dicken Taubschicht wirklich nur zu schlafen, andere warten ohne Hoffnung im zerpflückten Zustand in der unaufgeräumten Werkstatt. Längst sind diese Luxusautos in eine andere Form der Schönheit hinübergedämmert, in eine Ästhetik aus Patina und der Melancholie des Verfalls in ihrer skurrilen Form von Romantik. Das ist dann nicht nicht nur eine Augenweide für Oldtimer-Fans sondern auch für Kunstliebhaber mit Sinn für das Besondere. Zugleich bietet die Entdeckergeschichte, die auf Englisch und Deutsch dazu erzählt wird, interessanten Lesestoff. Bleibt abschließend nur noch zu sagen: Und wenn sie nicht verschrottet wurden, dann rosten sie noch heute vor sich hin...

 

# Herbert W. Hesselmann/Halwart Schrader: Sleeping Beauties; 163 Seiten, über 200 Farbfotos, Großformat; Edition Olms, Zürich; € 39,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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