FRANZ HOHLER: „ES KLOPFT"

Alles beginnt mit einem Klopfen und irgendwie harmlos, wenn eine schöne Fremde ans Zugfenster klopft, bevor der Zug mit Dr. Manuel Ritter abfährt. Eine Woche später jedoch erscheint diese Eva in der Praxis des HNO-Arztes, verweist auf schiefgegangene Liebesbeziehungen und eröffnet ihm, sie sei 35 und habe ihn auserkoren, der Erzeuger ihres Kindes zu sein. Sie versichert dem verblüfften jungen Familienvater, sie werde ihn danach nie wieder behelligen, und verführt ihn so hinreißend, dass er das einmalige Geschehen nie wieder vergisst.

Ebenso hinreißend wie diesen Einstand schildert Autor Franz Hohler dann, wie diese Sünde der Vergangenheit den braven Doktor viel später vor sein eigenes inneres Strafgericht zerrt und ausgerechnet dem Fachmann einen klopfenden Tinnitus beschert. „Es klopft" heißt denn auch der gelungene kleine Roman das Schweizer Kabarettisten und Wortmagiers, der die gar nicht so stabile heile Welt einer Züricher Vorzeigefamilie mit Villa, attraktiver Ehefrau und zwei wohlgeratenen studierenden Kindern in subtilen Aufruhr versetzt.

Ritter, der sympathische Langweiler, gerät in Panik, als Sohn Thomas ihm mehr als 20 Jahre nach dem einzigen Fehltritt seines Lebens die neue Freundin Anna vorstellt, denn die Ähnlichkeit mit Eva erscheint ihm zu groß für einen Zufall: er weiß von einem seinerzeit anonym zugesandten Foto, dass sein Erzeugereinsatz eine Tochter zum Ergebnis hatte. Und die sündige Eva klopft erneut, jetzt jedoch in seinem Kopf, unüberhörbar, wenngleich nur für ihn. Schließlich gibt es eine Verjährung nur im Recht, nicht aber im wirklichen Leben. Obwohl – Ehefrau Julia hat im Gegensatz zu ihm so gar kein Problem mit einem eigenen heimlichen Seitensprung vor Jahren.

Der einst so angenehm überrumpelte Erzeuger jedoch leidet, ist sogar hochgradig verunsichert, ob er überhaupt glücklich mit seinem Leben sein kann. Doch es bleibt nicht beim Tinnitus, denn wenn die Dinge erst einmal ins Rollen kommen... Nein, es gibt auch nicht das erwartete Happy-End, sondern ein Finale mit abgründigen Widerhaken. Das ist elegant und mit viel Hintersinn gestrickt, wobei aber auch die filigran gezeichneten Nebenfiguren zum Spannungsflecht beitragen und hier insbesondere gleich zwei interessante Mutter-Tochter-Konflikte. Mag auch die Grundstruktur ein wenig konstruiert wirken, so hat Hohler verbrämt mit feiner Ironie eine zutiefst menschliche Geschichte geschrieben, die auf hohem Niveau zu fesseln versteht.

 

# Franz Hohler: Es klopft; 175 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 17,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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