DAVID MITCHELL: „DER DREIZEHNTE MONAT"

Nach dem Bestseller „Wolkenatlas" legt David Mitchell nun mit „Der dreizehnte Monat" ein weniger komplexes Buch vor, doch dieser Roman über die 13 Monate des Schülers Jason Taylor zwischen Kind und Teenager ist ebenfalls alles andere als einfach und wurde zu recht in Großbritannien für den Booker Prize nominiert.

Doch auch ein Jugendbuch ist dieser Eigenbericht des Ich-Erzählers nicht, denn es sind nicht lustige Abenteuer und verklärende Erinnerungen, die hier geschildert werden, sondern eine Zeit, die in authentischer Rückbesinnung für so manche Menschen Erlebnisse unerfreulicher Art von bleibender Wirkung birgt. Der Autor hat diesen Jason quasi als Alter Ego geschaffen, denn das Jahr der 13 Monate ist 1982, als auch er in diesem Alter war und in Worcestershire in der mittelenglischen Provinz aufwuchs.

Erfunden ist das Dorf Black Swan Green, in dem Jason lebt und die Gesamtschule besucht. Dort geht es rau zu, wenn sowohl einige Klassenkameraden wie auch eine Halbstarkengruppe mit brutalem Vokabular und ebensolchen fiesen Scherzen oder auch offenen Angriffen alltäglichen Druck ausüben. Jason zählt nicht zu den Hartgestottenen und er hat zwei Eigenheiten, deren Bekanntwerden ihn zum bemitleidenswerten Opfer von mehr als nur Hänseleien machen würden.

Er hat eine Sprachhemmung bei Worten, die mit N oder S beginnen und er verwendet viel Mühe und Grips darauf, solche Worte zu meiden. In hinreißenden inneren Monologen kämpft er einen verbissenen Kampf mit dem „Henker", der da in seinem Kopf für das Stottern verantwortlich ist. Gefährlich könnte aber auch seine Vorliebe fürs Schreiben von Gedichten werden, denn das würde sogar als „stockschwul" unabsehbare Sanktionen auslösen. Ohnehin ist „schwul" das angesagte In-Wort für alles, was als absolut out gilt und Maßnahmen nach sich zieht.

Während nun einerseits Maggie Thatcher die englische Marine zu den Falkland-Inseln entsendet – wo auch der noch allen gut bekannte 18-jährige Tom Jew aus dem Dorf getötet wird – muss Jason für eine äußerst „schwule" Sünde mit gnadenlosen Anmachen büßen: er wurde dabei gesehen, als er mit seiner Mutter ins Kino ging! Doch es gibt auch andere mal melancholische, mal auch witzige bis skurrile Begebenheiten, die den Jungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden prägen, allen voran die Entdeckung der Geheimnisse des anderen Geschlechts.

Da verfolgen den Jungen Schuldgefühle, als das Schicksal einen seiner unangenehmsten Widersacher bestraft, andererseits zerbricht mit der Ehe der Eltern zum Ende des seltsamen Jahres auch noch ein Teil seiner ohnehin gar nicht so heilen Welt. Mancher Leser wird von diesem athmosphärisch dichten Roman mit seinen pointiert gezeichneten Charakteren schon deshalb gefesselt sein, weil ihn vieles an eigenes Erleben erinnert: Jugendzeit ja, aber eben nicht die seligen Bilder sondern das, was zuweilen hart und unangenehm realistisch das wahre Leben ausmacht.

 

# David Mitchell: Der dreizehnte Monat (aus dem Englischen von Volker Oldenburg); 496 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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