TORSTEN KROL: „CALLISTO"

Man weiß von Torsten Krol nur, dass er angeblich im australischen Outback lebt. Gleichwohl legt er einen aberwitzigen Schelmenroman aus den USA unserer Tage vor, der an kenntnisreicher Satire seinesgleichen sucht. Im Mittelpunkt steht Odell, ein einfach gestrickter 21-jähriger Hüne aus dem abgelegenen Wyoming, der als Ich-Erzähler mitten ins Herz Amerikas führt, dahin, wo es sich als finstere Mördergrube erweist.

Callisto oder die Kunst des Rasenmähens" beginnt heimtückisch harmlos, wenn der einfältige und absolut gutmütige Tor sich mit seinem altersschwachen Auto auf den Weg macht, um seine Pflicht gegen die bösen „Islamiten" zu erfüllen. Doch auf dem Weg zum Army-Registrierungsbüro streikt der Wagen ausgerechnet in Callisto County im platten, trostlosen Kansas. Mit letzter Kraft erreicht er das alte Farmhaus von Dean Lowry, der zwar auf unangenehme Weise seltsam ist, dennoch verstehen sich die beiden jungen Männer ganz passabel und nach einer durchsoffenen Nacht darf Odell sogar vorübergehend Deans Rasenmäherjob übernehmen.

Trotzdem kommt es bald zu einem folgenschweren Missverständnis, das der Beginn einer langen Pechsträhne für Odell wird. Der ansonsten unheilbar an das Gute im Menschen glaubende Einfaltspinsel entdeckt im Garten ein frisch ausgehobenes leeres Grab und nachdem Dean von Plänen gefaselt hat, zum Islam überzutreten, reagiert er panisch, als der rüde Hausherr ihn nachts mit dem Schrotgewehr in der Hand weckt. Der leichte Schlag des 1,90 Meter großen Odell mit einem vorsorglich bereitgehaltenen Baseballschläger reicht, um Dean ins Jenseits zu schicken. Kaum hat der entsetzte Tor den Toten erst einmal in dessen Bett verfrachtet, entdeckt er bei der nächtlichen Suche zum Stillen des ständigen Appetits auf Fastfood etwas Schockierendes in der großen Tiefkühltruhe: Deans alte Tante Bree ist gar nicht ins sonnige Florida verreist sondern liegt gut gekühlt im eigenen Keller, Schusswunde inklusive.

Nun tauchen zwei Personen auf, die Alles noch komplizierter für den armen Odell machen, der sich immer mehr als eine grandiose Mischung aus Josef Schwejk und Forrest Gump erweist. Da ist einerseits Chet, der Dean im Auftrag von Tante Bree namens der Sekte eines Fernsehpredigers vom Konvertieren bekehren soll und auch hilfswillig bleibt, als er später erkennen muss, dass dieser Dean in Wirklichkeit Odell ist. Für den ist dagegen Lorraine in ihrer eng anliegenden Uniform einer Gefängniswärterin ungleich interessanter, denn sie gefällt ihm noch besser als Außenministerin Condoleeza Rice, obwohl sie als Deans Schwester unangenehme Fragen stellt. Natürlich kann Odell in dieser Situation den Tod von Tante Bree nicht länger verheimlichen, um so eifriger bemüht er sich, den Tod „seiner" Leiche zu verschleiern. Dabei kommt es mit dem Grab im Garten wiederholt zu köstlichen Be- und Enterdigungsaktionen. Trotzdem reitet sich Odell immer tiefer in die Bredouille, denn eigentlich ist er zum jetzt so lebensnotwendigen Lügen einfach zu blöd. Um so zwerchfellerschütternder gerät dann jene Szene, als er einen Lügendetektortest zum Scheitern bringt.

Während Odell ganz nebenher bereits von der Ehe mit Lorraine träumt, unter den Gemeinheiten des Sheriffs leidet, Drogendealer und etliche andere belügen muss, heizt er ungewollt die allgegenwärtige Terroristenhysterie mit Andeutungen an, dass der angeblich flüchtige Dean mit islamistischen Zellen zu tun haben könnte und einen rechtsgewirkten Senator abknallen will. Nun tauchen auch noch FBI-Beamte auf und das Heimatschutzministerium mischt sich heimlichtuerisch ein.

An dieser Stelle sei zweierlei klargestellt: erstens war das bisher Geschilderte lediglich die ebenso großzügig wie fesselnd geratene Einleitung der Geschichte, die Odell in einfachen Worten in teils herzerweichend und zugleich heimtückisch naiver Weise ausbreitet. Zweitens wird das Geschehens bei allem oft trocken-schwarzen Humor zu einer packenden Achterbahnfahrt des alltäglichen staatlich-amerikanischen Wahnsinns, die zutiefst beklemmende Höhepunkte in sich birgt. Das Finale ist dann so konsequent und hinreißend gelungen wie das gesamte Meisterwerk. Satirische Breitseiten in solcher Fülle und gnadenloser Treffsicherheit in dieser hintersinnigen Forrest-Gump-Sprache – da bleibt einem zuweilen das Lachen im Halse stecken.

Man wird dieses Buch lange nicht vergessen, es vermutlich ein zweites Mal lesen und sich fragen, wer in Hollywood genügend Schneid hat, diesen großartigen Stoff zu verfilmen. Und welcher aufrechte Demokrat sich wohl hinter dem Pseudonym Torsten Krol verbergen könnte...

 

# Torsten Krol: Callisto oder die Kunst des Rasenmähens (aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski); 512 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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