LISA UNGER: „DAS GIFT DER LÜGE"

Es ist heimtückisch, wenn man ein so gesichertes, gutes Leben führt wie die junge Ridley Jones in New York, und plötzlich wird alles Bisherige infrage gestellt und man weiß nicht mehr, wem man noch trauen oder gar vertrauen kann. Lisa Unger zeichnet in ihrem fulminanten Debütroman „Das Gift der Lüge" eine zunächst reale heile Welt der aufstrebenden freien Journalistin. Sie genießt ihre Arbeit, ihre Wohnung, ihre Freundschaften.

Und sie liebt ihre Eltern und die geben ihr Geborgenheit und es scheint nur einen Wermutstropfen zu geben, die Drogensucht ihres Bruders Ace, die die Eltern, ein Kinderarzt und seine Frau Grace, in ihrem Hang zur Schönfärberei einfach beiseite schieben. Selbst Ridleys Trennung von der alten Sandkastenliebe Zack, quasi ihrem Verlobter, sorgt nur für mäßige Aufregung in dem scheinbar so wohlgeordneten soliden Gebäude dieser amerikanischen Vorzeigefamilie.

Bis Ridley in einem Zufallsakt von Heldentum das Leben eines kleinen Kindes rettet und für einen kurzen Moment zu regionaler Berühmtheit kommt. Die Freude darüber wird jäh zerbrochen, als sie nun einen anonymen Brief erhält mit einem alten vergilbten Foto und einem Zettel mit der Frage „Bist du meine Tochter?" Tatsächlich ist ihr die Frau auf dem Bild verblüffend ähnlich und es ist mehr als die typische Neugier der Journalistin, die sie nach dem Hintergrund der mysteriösen Nachricht forschen lässt. War ihre gesamte Existenz auf Lügen aufgebaut, wenngleich auf sehr angenehmen Lügen?

Erwartungsgemäß stößt sie bei ihren Eltern auf empörte Ablehnung statt auf Antworten. Eine Hilfe ist ihr neuer Nachbar Jake, mit dem sich soeben eine intensivere Beziehung entwickelt. Mit seiner Unterstützung gelingt es ihr schließlich, ein Treffen mit dem fremden Briefschreiber zu arrangieren, doch noch während der ersten Unterhaltung wird der Möchtegernvater erschossen. Die Waffe erweist sich als Jakes Eigentum, andererseits erhält Ridley später einen alten Zeitungsausschnitt über eine ermordete Frau und auch sie sieht ihr äußerst ähnlich. Umgehend befindet sich die junge Frau inmitten einer gnadenlosen Jagd und weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann.

Es tut sich ein übles Komplott auf und selbst engste Vertraute scheinen zu Feinden zu werden. Mehr soll hier nicht verraten werden, denn dieser Thriller lebt von seinen raffinierten Verflechtungen ebenso wie von starken Charakteren und dem hohen Tempo, mit dem die Ich-Erzählerin ihre wahnwitzige und dennoch glaubhaft gestaltete Geschichte ausbreitet. Die eingestreuten direkten Ansprachen an den Leser wären verzichtbar gewesen, ansonsten ist dies ein so rasanter und absolut filmreifer Roman, dass man ihn bis zur letzten Zeile nicht mehr aus der Hand legen mag.

 

# Lisa Unger: Das Gift der Lüge (aus dem Amerikanischen von Eva Bonné); 416 Seiten; Page & Turner, München; 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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