LOUISE ERDRICH: „DER KLANG DER TROMMEL"

Die Trommel wartet mit der Geduld unbelebter Gegenstände, aber sie heilt mit dem Leben selbst." Und sie spricht zu bestimmten Menschen, denen sie zugedacht ist wie Faye Travers, die als Trödlerin im Nachlass eines alten Herrn einer großen verzierten Indianertrommel begegnet. Die ansonsten eher nüchterne Frau fühlt sich so von dem Instrument angezogen, dass sie sie stiehlt.

Offenbar war hier ihre eigene indianische Herkunft der Auslöser und Chippewa-Indianer hat auch Erfolgsautorin Louise Erdrich unter ihren Vorfahren, die einmal mehr ein quasi-indianisches Thema aufgreift mit ihrem jüngsten Roman „Der Klang der Trommel". Raffiniert verknüpft sie darin drei fesselnde Geschichten um diese magische Trommel, die eng miteinander verwoben sind.

Zunächst führt die Trommel Faye in starken Träumen zurück zum Tod der jüngeren Schwester in der Kindheit, für den sie sich noch immer schuldig fühlt. Doch ermutigen die Visionen sie schließlich auch, die Trommel zum Ojibwe-Reservat zurückzubringen, wo sie einst entstand. So gelangt sie in die Hände des zweiten Erzählers Bernard Shaawano, einem Techniker der Krankenstation im Reservat.

In einer tiefgreifenden Rückschau entsteht nun ein Bild von menschlichen Sünden, Untaten und bitterer Sühne. Bernards Großmutter Anaquot betrog einst ihren Mann und zog fort, um mit der gemeinsamen und der Tochter des Liebhabers bei diesem zu leben. Auf dem Weg zu ihm werden sie im harten Winter von einer Meute hungernder Wölfe verfolgt. Auf schreckliche Weise wird das ältere Mädchen zum rettenden Opfer, das die Wölfe von der weiteren Verfolgung abhält. Später findet Anaquots trauernder Ehemann die Knochen des Mädchens und es erscheint ihm im Traum ein Wolfsmädchen mit einer Botschaft: er soll eine bunte Trommel machen und sie mit den Knochen verzieren.

Mindestens so bewegend ist auch die dritte Geschichte, die den Kreis um die singende Trommel abschließt. Wieder ist es eisiger Winter, als Ira ihre drei Kinder im abgeschiedenen Haus allein lässt, um in der Stadt Lebensmittel zu beschaffen. Verzweifelt und mit leeren Händen landet sie abends in einer Kneipe und versucht, mit einem Mann anzubändeln, um doch noch an etwas Geld zu kommen. Derweil brennt daheim das Haus ab, nachdem die Kinder versucht habem, sich durch ein Feuer zu wärmen. Ihnen bleibt nur die schier aussichtslos erscheindende Flucht durch Schnee und Kälte zum weit entfernten Nachbarhaus und in ihrer Verzweiflung ist es schließlich der Gesang einer Trommel, der der neunjährigen Shawnee unbekannte Kräft verleiht. So gelangen die Kinder mit letzter Kraft zu Bernard Shaawanos Haus, in dem die heimgekehrte Trommel liegt.

Louise Erdrich erzähLT diese verschachtelte Geschichte auf geradezu atemlose Weise und fasziniert dabei mit einer mal prosaischen, mal poetischen Sprache, die man sich in der Übersetzung allerdings etwas eleganter gewünscht hätte. Gleichwohl ist „Der Klang der Trommel" ein meisterhaftes Stück Literatur mit ihrer Tiefe großer menschlicher Schicksale.

 

# Louise Erdrich: Der Klang der Trommel (aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann); 277 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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