CARSTEN OTTE: „SANFTE ILLUSIONEN"

Nach dem schwarzhumorigen Ossi-Debüt mit „Schweineöde" wendet sich Carsten Otte mit seinem neuen Roman um so westlicheren Befindlichkeiten zu, denn „Sanfte Illusionen" führt ins abgehobene Spießermiliau der geldgepolsterten Kurstadt Baden-Baden.

Zu den verschiedenen Hauptfiguren gehört die attraktive Tamara, gelernte Innenarchitektin, die den altbackenen Blumenladen ihrer Eltern aufpeppen will. Tamara heißt aber auch auch die Groschenheftreihe, mit der Schriftsteller Arnd Hoppe seit vielen Jahren unter dem Pseudonym Rebecca Conners ein erkleckliches Einkommen zusammenschreibt. Bis jetzt, denn die Reihe wird eingestellt und Hoppe findet es schwierig, sich neu zu orientieren. Auch mental und sexuell. Da erscheint die leibhaftige Tamara ein interessantes Objekt der Begierde zu sein, nachdem Freund Benjamin sie so verdächtig intensiv angepriesen hat.

Doch es gibt ja einen regelrechten Reigen von Hauptdarstellern, die alle irgendwie miteinander zu tun haben in diesem kurstädtischen Edelkosmos. Benjamin zum Beispiel ist mit der erblindenden Wiebke verheiratet, bändelt aber mit Tamara an, während deren Ex-Lover Rolf Wiebke beglückt. Dann wäre da noch eine Ex-Hure, die sich reichgeheiratet hat und ein behinderter unehelicher Sohn. Und Tamara schließlich entdeckt nach und nach die Vorzüge des braven herzkranken Kellners Jost aus dem Park-Hotel.

Wirklich große Träume haben sie eigentlich alle nicht, diese Enddreißiger und Vierziger, die weder ihre kinderlosen Ehen noch das Singledasein mit dem Wörtchen Glück verknüpfen würden. Dass dieser verwobene Reigen aber zwischen himmelblauen Sentenzen und Anflügen schwarzen Humors so manches mal böse funkelt, liegt mal an den immer wieder wechselnden Perspektiven der Figuren, mal an der nobelprovinziellen Beiläufigkeit, mit der selbst von gar nicht weither gemeldete Katastrophen im emsigen Betrieb des ach so gewichtigen eigenen Lebens schlichtweg – zur Kenntnis genommen werden.

Da ist es geradezu folgerichtig, wenn dieser vordergründig leichtfüßige Roman dann so tamaramäßig endet, als würde Arnd Hoppe seine Groschenhefte doch noch weiterschreiben. Fazit: ein lockeres Lesevergnügen, das jedoch zuweilen kleine aber gar nicht immer feine Abgründe auftut.

 

# Carsten Otte: Sanfte Illusionen; 374 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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