JOSHUA KEY: „ICH BIN EIN DESERTEUR"

Mir wurde klar, dass wir, die amerikanischen US-Soldaten, die Terroristen waren. Wir terrorisierten die Bevölkerung, schüchterten sie ein, schlugen sie, demolierten ihre Häuser, vergewaltigten sie wohl auch. Diejenigen, die wir nicht umbrachten, hatten allen Grund der Welt, ihrerseits zu Terroristen zu werden." Der das sagt, ist der ehemalige Obergefreite Joshua Key, der 2003 sieben Monate lang das alltägliche Grauen des Irak-Krieges im Kampfeinsatz erlebte.

Zutiefst verstört nutzte er seinen ersten Heimaturlaub, um mit seiner Familie unterzutauchen und sich nach monatelanger Odysee nach Kanada abzusetzen. Hier nun vertraute er seine ebenso erschütternde wie entlarvende Geschichte dem Journalisten Lawrence Hill an, der sie authentisch unter dem Titel „Ich bin ein Deserteur" niederschrieb. Packend, direkt und schonungslos schildert der 28-jährige Key darin zunächst seine ärmliche Herkunft, die klar macht, warum er sich sich als junger Familienvater wegen des regelmäßigen Einkommens und der Krankenversicherung 2002 von der US-Army rekrutieren lässt. Und er glaubte dem Rekruteur, dass gerade jemand wie er angesichts des damals erwarteten dritten Kindes ganz sicher nicht zu Kampfeinsätzen geschickt würde.

Ungebildet, naiv und bibelfest - „und als Bush-treuer Patriot wie alle dort in Oklahoma!" - erkennt der gelernte Schweißer erst im April 2003, dass die Zusicherung nichts wert ist und er auch nicht zum Aufbauen in den Irak entsandt wird. Hier erlebt er fast täglich Brutalitäten gegen die Einheimischen, wo selbst Leichen noch verstümmelt werden. „Im Irak machte man mich zum Verbrecher", analysiert er das Erlebte, wegen dem er noch heute unter schwerem posttraumatischem Stress-Syndrom leidet. Mit wuchtigen Worten prangert er den krassen Rassismus an, mit dem die Iraker, denen man doch die Demokratie bringen wollte, behandelt werden. Dazu passt andererseits auch der Hinweis auf die längst übliche „Armenrekrutierung" seitens der US-Army, die bevorzugt Schwarze, Latinos oder eben weiße Unterschichtler wie Joshua Key in die Kampfeinheiten holt.

Der Vater von mittlerweile vier Kindern, der seinen Fall im kanadischen Asyl mit Interviews und Vorträgen publik macht, wäre im Übrigen bereit, in sein Heimatland zurückzukehren und dort in den Knast zu gehen - „aber erst, wenn auch Bush angeklagt wird!" Was immer man diesem verstörten Patrioten vorwerfen mag, aus Feigheit ist er jedenfalls nicht desertiert. Fazit: der erschütternde Bericht eines einfachen, unverbildeten Zeitzeugen und gerade deshalb so glaubhaft und wichtig.

 

  # Joshua Key: Ich bin ein Deserteur. Mein Leben als Soldat im Irak-Krieg und meine Flucht aus der Armee (aus dem Amerikanischen von Anne Emmert und Hans Freundl); 304 Seiten, div. Abb.; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 18,95 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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