LILIAN FASCHINGER: „STADT DER VERLIERER"

Matthias Karner sieht gut aus, ist 30 und süchtig nach Frauenkörpern. So erfolgreich, dass die Damen ihn teils auch unterhalten. Dabei ist er ein Frauenverächter bis hin zu Hassgefühlen und es gibt sogar verständliche Gründe für seine misogyne Haltung, die die österreichische Erfolgsautorin Lilian Faschinger in ihrem neuen Roman „Stadt der Verlierer" ebenso souverän wie eindringlich verständlich macht.

Als sich Karner von der nervigen Trixi im Lainzer Tiergarten erholen will, findet er im Gras eine schöne Frau, Typ Nicole Kidman, offenbar eine Selbstmörderin. Geradezu beiläufig rettet er diese Vera und als sie ihn später in seiner gammeligen Bude besucht, beginnt eine obsessive Liebschaft, die ihn tiefer beeindruckt, als ihm recht ist. Doch es tritt zur gleichen Zeit eine weitere Frau von größter Bedeutung in sein Leben: seine leibliche Mutter, die ihn auf Druck der Eltern mit 16 zur Adoption freigegeben hatte, will aus durchaus eigensüchtigen Gründen etwas gutmachen an ihm.

Dafür hat diese Greta eine Detektei eingeschaltet und deren skurrile Betreiber bringen als raffinierter Dramaturgieeffekt zusätzliche Spannung und Farbe in diesen hinreißenden Psychokrimi, der nicht zuletzt von viel Wiener Schmäh und Lokalkolorit lebt. Emma Novak ist eigentlich promovierte Altertumswissenschaftlerin, mit ihren seltsamen Randthemen jedoch ebenso gescheitert wie der Friseur Mick Hammerl, der sich vom legendären Vorbild Mike Hammer spektakulär unterscheidet. Wie ausgerechnet diese beiden Amateure mit den obskuren Vorlieben zur Lösung des heraufziehenden Falles gelangen, soll hier nicht verraten werden, denn der Weg dorthin ist mit Überraschungen gesegnet.

Insbesondere auch für Karner, der als Ich-Erzähler mit stoisch düsterer Nüchternheit hautnah berichtet und dabei mit zuweilen ätzendem Hohn und Aufwallungen galligen Selbstmitleids ein aufwühlendes Schicksal als schwere Lebenshypothek offenbart. Seine Adoptiveltern waren streng und lieblos und nur zwei Dinge ließen ihn die davon geprägte Jugend überleben: derschrankenlose Trost seiner geliebten Adoptivschwester und das engelhaft schöne Foto seiner Mutter in ganz jungen Jahren. Als sie sich nun aber begegnen, kommen beide mit jahrelangen falschen Vorstellungen und die aufgedonnerte kaltschnäuzige Geschäftsfrau ist ihm vom ersten Moment an unsympathisch.

Doch es kommt ja noch viel schlimmer, denn er erfährt Ungeheuerliches von ihr – es gab damals einen Zwillingsbruder! Diesen Niki hat die Mutter behalten und aus ihm wurde ein erfolgreicher Architekt mit Villa in bester Lage. Aber selbst das ist nicht der letzte Verrat in Karners Leben, allerdings bleibt er nicht der einzige Verlierer in dieser geradezu griechischen Tragödie, die trotz einiger Konstruiertheiten mit ihren authentischen Charakteren und deren zutiefst menschlichen Verstrickungen überzeugt.

Mit direkter bis derber Sprache versteht es Lilian Faschinger aufzuwühlen und die intelligente Doppelstrategie zwischen Detektiven und Ich-Erzähler tut das Ihrige dazu, bis zur letzten Zeile zu fesseln. Dabei darf ihr negativer Held mit soviel Zynismus und einer Neigung zum Vulgären auf alles Weibliche einschlagen, wie es sich nur eine weibliche Autorin so böse und ungehemmt leisten kann. Gepaart mit allerlei Gesellschaftshäme schreibt sie außerdem manche Gemeinheiten in diese virtuose Geschichte, die diesen unkonventionellen Kriminalroman mit seinem Tiefgang und hohem Niveau endgültig zu einem ganz großen Lesevergnügen machen.

 

# Lilian Faschinger: Stadt der Verlierer; 316 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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