GÜNTER LAMPRECHT: „EIN HÖLLISCHES DING, DAS LEBEN"

Günter Lamprecht kennt man als einen der größten lebenden Schauspieler Deutschlands. Zwei Goldene Kameras, viele Preise, das Bundesverdienstkreuz und Weltruhm durch seine grandiose Rolle des Franz Biberkopf in „Berlin – Alexanderplatz", davon wissen die Menschen, obwohl der Mime selbst nicht zu jenen Stars gehört, die sich glamourös im Lichte der Öffentlichkeit aalen.

Spätestens seit der Autobiographie über seine Jugend in Berlin weiß man jedoch auch, dass dieser aus kleinen Verhältnissen stammende Schauspieler außerdem ein großartiges Talent zum Schreiben hat. Das beweist er um so mehr mit Teil II seiner Vita, in der er unter dem Biberkopf-Zitat „Ein höllisches Ding, das Leben" als Titel von seiner Karriere erzählt. Frei weg von der Leber berichtet er da und schildert überaus selbstkritisch seinen häufig genug recht holprigen Lebensweg.

Wie in so vielen seiner Rollen hat auch das etwas gradlinig Proletarisches, wenn er ungeschönt auch von allerlei Tiefen, von Enttäuschungen und Rebellionen sowohl privat wie auch beruflich erzählt, die seine langjährige Karriere pflasterten. Als der gelernte Orthopädiemechaniker und Amateurboxer 1953 ein Stipendium an der berühmten Max-Reinhardt-Schauspielschule erhält, ist damit noch längst kein großer Aufstieg garantiert. Stattdessen geht es 1955 mit 300 Monatsgage am Bochumer Theater als „Schauspielanfänger" los.

Von Theater zu Theater kämpft er sich trotz immer wieder gelobter Leistungen eher mühsam hoch, zumal er für eine rasche Karriere einfach zu kantig, zu unbeugsam im Stolz und durchaus auch recht schwierig ist. Eine zusätzliche Belastung ist ein jahrelanger Privatkrieg wegen einer viel zu früh geschlossenen Ehe. Doch Lamprechts große Fähigkeiten als Darsteller insbesondere komplexer Rollen, die er mit unglaublicher Intensität verkörpert, setzen sich durch. Schon längst mehr als vollbeschäftigt, bringt 1974 die Begegnung mit Rainer Werner Fassbinder den endgültigen Durchbruch auch bei Film und Fernsehen. Die erste Zusammenarbeit ist die für den legendären Zweiteiler „Welt am Draht", bevor es 1979/80 zur Paraderolle in Fassbinders „Berlin – Alexanderplatz"-Serie kommt. Dazwischen liegt auch noch Lamprechts unvergessene Alkoholiker-Glanzrolle in „Rückfälle", für die es die erste Goldene Kamera gab.

Der mittlerweile 77-Jährige erzählt das Alles schnörkellos und gänzlich unprätentiös. Statt Eitelkeiten eines Stars beleuchtet er lieber auch die dunkleren Seiten seiner Vita, bekennt sich zu seinen Schwächen. Nur eines kommt in vielen Einflechtungen immer voller Stolz zur Sprache, seine Erfolge als Schauspieler. Und er findet ein bewegendes Finale für seine Lebenserinnerungen, auf dessen Drama er gern verzichtet hätte: jenen 1. November 1999, als ein jugendlicher Amokschütze ihn und seine Lebenspartnerin in Bad Reichenhall lebensgefährlich verletzte. Fazit: eine inhaltlich wie qualitativ fesselnde Autobiographie eines durch und durch ernstzunehmenden Schauspielers und zugleich ein hochinteressanter Einblick in die deutsche Schauspielszene der letzten 50 Jahre.

 

# Günter Lamprecht: Ein höllisches Ding, das Leben; 256 Seiten, div. Abb.; Kiepenheuer & Witsch, Köln; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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