JOHN KATZENBACH: „DAS OPFER"

Am 1. April 2007 trat in Deutschland ein Gesetz gegen das so genannte Stalking in kraft, also das belästigende oder auch bedrohende Verfolgen von Menschen mit unerbetenen Sympathiebekundungen jeglicher Art. Wer nun abwinkt, weil er meint, das betreffe nur Stars und Adelige, dem sei John Katzenbachs Psychothriller „Das Opfer" empfohlen. Er beschwört Gänsehaut herauf mit einem Stalker, der auf extreme Weise in eine attrakive Studentin verliebt ist.

Ashley Freeman will einen Ausrutscher in der Partnerwahl nach einer angesäuselten Nacht mit dem gut aussehenden Fremden mit schnellen Worten beenden. Doch die kleine Sünde kommt sie teuer zu stehen, denn dieser Michael O'Connell hat in seiner psychopathischen Verbohrtheit anderes für sie beide beschlossen: „Wir werden für immer zusammen sein. So oder so." Und seine Beharrlichkeit des Begehrens ist so gnadenlos, wie seine erbärmliche Kindheit und Jugend ihn mit Hass und obsessiver Besitzgier angefüllt hat.

Er überschüttet Ashley mit furchteinflößenden schriftlichen Liebesbotschaften und dieser Romantiker der besonderen Art beweist seine Zuneigung auf rabiate Weise. Da verunglückt eine Freundin Ashleys wegen Sabotage am Auto, ein Kommilitone muss einen simplen Kuss Ashleys mit einem Leben im Rollstuhl bezahlen und einem von ihrer Familie angeheuertem Privatdetektiv ergeht es noch schlimmer. Doch der Verfolger kennt noch andere, ebenso perfide Mittel, jeden zu bestrafen oder auszuschalten, der sich seinem Werben in den Weg stellt, denn als begabter Hacker setzt er die Segnungen der modernen Technik auf teuflische Weise ein.

Es zeigt sich, wie zerbrechlich die geordnete Welt gebildeter Mittelständler sein kann, wenn ein hemmungsloser Peiniger raffiniert die Zügel übernimmt. Michael greift in die Existenz der ganzen hilflos dagegen ankämpfenden Familie ein, indem er unter anderem Ashleys Vater als angesehenen Professor durch Unterstellungen diffamiert oder seine von ihm geschiedene Frau in ihrer Stellung als Juristin gefährdet, als er ihre lesbische Beziehung publik macht. Der Versuch, den Kleinganoven mit Geld loszuwerden, spornt ihn sogar noch zur Steigerung seines Feldzuges an: „Wir sind füreinander bestimmt. Niemand kann zwischen uns treten."

Die wechselnden Perspektiven zwischen den Protagonisten führen nicht nur tief in die Niedertracht des Übeltäters sondern zeigen auch, zu welchen Ausfällen die Hilflosigkeit angesichts einer schleichenden Untergangsstimmung selbst wohlanständige Bürger schließlich treiben kann. Das hochdramatische Finale des packenden Thrillers soll hier jedoch nicht verraten werden, aber es überzeugt dank der hervorragenden Charakterzeichnungen und der exzellenten Dramaturgie. Wer von Stalking noch wenig wusste – nach dieser ungemein fesselnden Lektüre ahnt er, wie ein Stalker Nerven und ganze Existenzen ruinieren kann, wenn er nur beharrlich, besessen und böse genug ist.

 

# John Katzenbach: Das Opfer (aus dem Amerikanischen von Anke Kreuzer); 654 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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