CHRISTIAN DAVID: „KINSKI. DIE BIOGRAPHIE"

Von Beginn an schwierig, ein Ausbund an manisch-depressiver Besessenheit und eines der größten schauspielerischen Genies – all das war Klaus Kinski (1926-1991). Mit seiner Unberechenbarkeit und Geltungssucht blieb der hypersensible Künstler besonders in seiner deutschsprachigen Heimat zu Unrecht auf den „Irren vom Dienst" abgestempelt.

Der Wiener Kritiker und Historiker Christian David versucht nun, hinter die Maske zu schauen und verfasste dazu die akribisch recherchierte erste umfassende Biographie zu dem aus Zoppot gebürtigen Apothekerssohn. „Kinski. Die Biographie" ist sie schlicht überschrieben und mit nüchterner Sympathie gelingt David eine so noch nicht dagewesene Würdigung der Lebensleistung eines immer wieder Unverstandenen, der allerdings in vielen Fällen selbst nicht schuldlos an den Missverständnissen, Niederlagen und Skandalen und sich offensichtlich selbst der größte Feind war.

Die Sachlichkeit der Chronik wie auch die zunächst übertrieben genau wirkenden Detailschilderungen lassen die endlose Achterbahnfahrt der Kinski-Vita plastisch werden. So wie die Medien sich stets auf den zuweilen unausstehlichen Skandalmacher kaprizierten und dadurch das Bild eines erratischen Psychoten prägten, so ließ er durch seine Autobiographie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" von 1975 nicht nur den Eindruck eines ebenso genialischen wie sexbesessenen Egomanen entstehen, der dabei manche Aspekte seiner Vergangenheit derartig krass ausleuchtete, dass sie den Tatsachen kaum entsprechen konnten.

Hier nun rückt der Biograph einiges zurecht von der angeblich erbärmlichen Jugend oder dem Beginn seiner wechselvollen Karriere. Viel konkret Überprüfbares fand zwar auch David nicht, belegt aber ist u.a., dass Klaus Günter Nakszynski, so sein bürgerlicher Name, als 18-jähriger Fallschirmjäger in britischer Gefangenschaft im Camp 186 in Essex erstmals zum Schauspielern angeregt wurde. Spannend liest sich der schon von früher Exaltiertheit begleitete Aufstieg des Autodidakten, dessen erster großer Erfolg 1949 bezeichnenderweise das Cocteau-Solo „Die menschliche Stimme" war.

Faszinierend liest sich auch sein gescheiterter Versuch, am Wiener Burgtheater engagiert zu werden, bevor er dann in den 60er Jahren als Rezitator Erfolge feierte und zugleich in vielen Edgar-Wallace-Filmen für die hiesigen Zuschauer zum „Irren vom Dienst" wurde. Dabei übersahen sie, welch prägenden Eindruck Kinski weltweit in den Italo-Western hinterließ, wie er ohnehin im Ausland eine exaltierte aber feste Größe wurde.

Skandale, Abstürze und Kultfilme wie „Nosferatu" und „Fitzcarraldo" in den Großzeiten unter Werner Herzogs Regie zeichnen das Porträt eines misstrauischen Jahrhundertkünstlers mit völliger Unfähigkeit zum Kompromiss, das nahezu folgerichtig nach dem letzten gescheiterten Traumprojekt „Paganini" einsam mit 65 Jahren verstarb. Das alles ist fesselnder als mancher Roman und man erfährt ungeheuer viel. Dennoch bleibt manches unaufgeklärt, vermutlich aber auch unaufklärbar von dieser Vita eines einzigartigen, ebenso genialen wie bis zur Verrücktheit in sich verbogenen und oft verkannten Schauspielers und Menschen.

 

# Christian David: Kinski. Die Biographie; 447 Seiten, div. Abb.; Aufbau-Verlag, Berlin; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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