FRANCESCO MADEO: „HYMNE AUF EIN LIEDERLICHES LEBEN"

Francesco und Vatta, ein solches Duo hat es in der deutschsprachigen Literatur noch nicht gegeben. Der Junge ist der uneheliche Enkel des alten Kupka und er durchlebt mit diesem einzigartigen Urviech und der herzensguten Großmutter – konsequenterweise wird sie Mutti genannt – eine Kindheit und Jugend am Rande des Ruhrgebiets, die es wahrhaft in sich hat.

Man kann nur rätseln, wie viel Autobiographisches Autor Francesco Madeo in diese „Hymne auf ein liederliches Leben" eingebracht hat, schließlich ist er in ähnlichen Verhältnissen wie sein Ich-Erzähler aufgewachsen. Vielleicht ist es gar nicht so verwunderlich, dass Madeo es hauptberuflich bis zum Professor für Biochemie gebracht hat – an Lebensumständen wie den Geschilderten kann man nur scheitern oder stark werden.

Auf jeden Fall ist Vatta ein hinreißendes Unikum von allerdings nur schwer zu ertragender Einzigartigkeit, denn er lebt in ständiger Ausschweifung auf proletenhaftem Niveau und gebärdet sich völlig ungeniert als Genie der Sinnlichkeit. Der gehbehinderte Alte raucht, säuft, stinkt und knarzt munter vor sich hin. Der Junge lernt mit der Zeit, mit den Nickligkeiten des ebenso geizigen wie cholerischen Alten fertig zu werden. Schwierig wird es jedoch, als auch noch die Wonnen der Pubertät hinzukommen und Francesco nicht weiß, wie er die schöne Patricia erstens gewinnen und dann auch noch an dem furzenden Genussmonster vorbeibekommen soll.

Vatta war ständig exzessiv, und die Ausschließlichkeit, mit der er sich der Ausschweifung hingab, gebietet Respekt. Bewundernswert ist auch der absolute Verzicht auf Tarnung oder Anlass." So schildert der Erzähler dieses hünenhafte Genie der Sinnlichkeit, gegen das Ekel Alfred Tetzlaff als romantischer Kavalier von edler Gesinnung erschiene. Wer sich als Leser nicht abschrecken lässt von derlei dampfender Körperlichkeit, wird sich köstlich amüsieren, denn der Autor erzählt diese Chronik einer schrägen Jugend hinreißend direkt und urkomisch. In seinem aberwitzigen Humor kennt er keine Hemmungen sondern nennt die Dinge sehr lebensnah beim Namen.

Doch das tragikomische Geschehen fesselt auch durch viele Randnotizen und hier besonders mit denen aus der Schule und ersten Parties. Zentral aber lebt das Alles vom drastischen Kleinkrieg zwischen Francesco und Vatta und der Leser wird abschließend mit der philosophischen Erkenntnis belohnt, dass zur Ausschweifung viel Selbstzucht nötig ist, damit sie zufriedenstellend gelingt...

 

# Francesco Madeo: Hymne auf ein liederliches Leben; 288 Seiten; Klöpfer & Meyer, Tübingen;

€ 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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