NEAL STEPHENSON: „CONFUSION"

Mit „Confusion", Teil II der monumentalen Barock-Trilogie, belegt Neal Stephenson erneut, dass er wie nur wenige zu Recht den Titel eines Kultautors trägt. Bei ihm geraten verwegene Abenteuerromane zur Wissensvermittlung und der Wissenschaftsthriller wird zum süchtig machenden Schmöker und beides gelingt ihm durchgehend auf höchstem Niveau.

Mit einem Paukenschlag aus 1500 Kanonen geht es im Oktober 1689 los, denn mit diesem Salut für den neuen Pascha von Algier erwacht auch Jack Shaftoe, einst König der Landstreicher, aus einer mehrjährigen durch Krankheit ausgelösten geistigen Starre. Man hat den Helden aus „Quicksilver", Band I der Trilogie, zum Galeerensträfling gemacht. Doch schon bald schart er einige verwegene Gesellen um sich und sie fliehen nicht nur, sie erobern sogar noch einen Silberschatz.

Stephenson hat diesmal jedoch gewissermaßen zwei Romane zugleich entstehen lassen, die er zur titelgebenden Con-Fusion führt. Während Jack im Buch „Bonanza" zum Piraten wird und in nur 13 Jahren die ganze Welt umrundet auf seinem irren Zug voller Siege, Niederlagen, Todesgefahren und glücklichen Fügungen, steht die einst von ihm aus einem Harem errettete und schon in „Quicksilver" zur Gräfin de la Zeur aufgestiegene Eliza als Spionin, Intrigantin und Finanzgenie im Mittelpunkt des Buches „Das Komplott".

Aber auch die genialen Köpfe dieses Zeitabschnittes von 1689 bis 1702 wie Newton, Leibniz und andere spielen wieder ihre Rollen an der Schwelle zur Moderne. Auf grandiose Manier verflechtet Stephenson nicht nur die beiden Romane miteinander, sondern füllt sie mit Wissen als Teil der Geschichte und fasziniert dabei einmal mehr sowohl mit intensiver Recherche und Detailgenauigkeit wie mit der Vielfalt der seinerzeit bahnbrechenden Erkenntnisse, Entdeckungen und Erfindungen. Die Wissenschaften, philosophische und politische Neuerungen bis hin zur Entwicklung des Kreditwesens bilden spannende und zugleich höchst unterhaltsame Aspekte der fantasievoll komponierten Ereignisse von jeweils immenser historischer Tragweite.

Eliza am Hofe des Sonnenkönigs mit dem unehelichen Sohn von Ludwigs Hauskryptologen, Jacks wilde Truppe als Glücksritter und Gefangene der Inquisition in Mexiko – historisch genaue Fakten und erfundene Geschichten gehen eine atemberaubende Melange ein, die sich jeder Kategorisierung entzieht, dabei jedoch eine ungeheuere Sogwirkung auslöst. Dieses gewaltige Epos schwelgt in einem Erzählstrom, der mit brillanten Dialogen ebenso glänzt wie als zuweilen derber Schelmenroman mit rabiaten Kampfszenen. Fazit: Prädikat einzigartig.

 

# Neal Stephenson: Confusion (aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl und Juliane Gräbener-Müller); 1018 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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