FRANK DELANEY: „SCHWERT UND HARFE"

Im November 1951 kommt ein Seanchai, ein wandernder Geschichtenerzähler, in Südirland zum Haus der O'Maras und bleibt dort einige Tage. Dieser Geschichtenerzähler ist der Letzte seiner Art und nach uralter Tradition spinnt er für Essen und Übernachtung sein überlebensgroßes Geschichtengarn. Sein größter Bewunderer ist der neunjährige Ronan O'Mara, den die Erzählungen über die Entstehung Irlands oder vom Bau des Steinmonuments von Newgrange unentrinnbar in den Bann schlagen.

Doch der ebenfalls in Südirland geborene Autor Frank Delaney schreibt in diesem opulenten Epos unter dem Titel „Schwert und Harfe" weit mehr als nur ein Geschichtenbuch. Nach den ersten Abenden des Alten, in denen dieser auch vom Heiligen Patrick oder von einer skurrilen aber auch poetischen mitteralterlichen Eifersuchtsposse erzählt, verweist Ronans Mutter ihn des Hauses. Der Junge aber hat Feuer gefangen und er widmet sein Leben ebenfalls den Mythen und Sagen, den Märchen und der authentischen Geschichte Irlands.

Als junger Mann geht er selbst als Geschichtenerzähler auf Wanderschaft durch die gesamte irische Heimat. Doch wann immer er dem alten Pat auf die Spur kommt, entzieht der sich erneut, lässt ihm zuweilen jedoch über Mittelsmänner eine seiner von archaischer Wucht und Schönheit geprägten Geschichten zukommen. Und die sind von unwiderstehlichem Zauber in dieser faszinierenden Art der mündlichen Überlieferung, gleich, ob sie aus den Zeiten des Hochkönigs von Tara oder aus der jüngeren Geschichte der grünen Insel herrühren.

Barden und Druiden, Mönche und Seefahrer, Dichter und Rebellen und die eingestreuten kleinen Spitzen gegen die langjährigen Besatzer aus England: das ist abenteuerlich und bewegend, gerät aber bei aller Poesie der direkten und sachlichen Sprache nie zum folkloristischen Kitsch. Doch nicht nur die fabelhaften wahren oder fast wahren Geschichten fesseln mit großem Zauber und immenser Spannung, auch die Parallelhandlung um Ronan und Pat ist von souveräner Erzählkunst durchdrungen, die zu einem wunderbaren Finale um ein geradezu Irland-typisches Geheimnis führt.

Erfolgsautor Delaney erweist sich seines Seanchai ebenso ebenbürtig wie den opulenten Geschichtsepen eines James Michener. Der Untertitel „Die große Irland-Saga" könnte nicht besser ausgefüllt sein als mit diesem grandiosen Lesevergnügen.

 

# Frank Delaney: Schwert und Harfe. Die große Irland-Saga (aus dem Englischen von Karin Diemerling); 672 Seiten; Droemer Verlag, München;

€ 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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