PAULUS HOCHGATTERER: „DIE SÜßE DES LEBENS"

Mit seinem jüngsten Roman „Die Süße des Lebens" dürfte der österreichische Autor Paulus Hochgatterer endgültig den Status eines Geheimtipps abgelegt haben. Das Buch beginnt mit einem ebenso dezent wie unter die Haut gehend beschriebenen Mord an einem alten Mann, dessen brachial zugerichtete Leiche ausgerechnet seine siebenjährige Enkelin findet. Die hohe Souveränität seiner Dramaturgie beweist Hochgatterer, wenn er diesem Krimi-Einstieg zunächst die Entwicklung seines ganzen Kosmos von Protagonisten in einer Kleinstadt folgen lässt, ehe die psychisch erstarrte Kleine wieder auftaucht.

Ausgerechnet zu Weihnachten spielt sich alles ab und Kriminalkommissar Kovacs macht das ähnlich grimmig wie den Kinderpsychiater Horn im städtischen Krankenhaus. Der hat bereits einige höchst unerfreuliche Fälle zu behandeln gehabt, als er mit der kleinen Mordzeugin konfrontiert wird. Zu seinen Dauerkunden zählt auch der widerliche Schmidinger, dessen psychopathische Ausraster bis hin zu schweren Körperverletzungen der eigenen Kinder gehen. Dagegen hilft beim offenbar von drückender Schizophrenie geplagten Benediktinerpater Bauer die menschliche und medikamentöse Hilfe Horns. Immerhin schafft es der wiederholt selbst erzählende Gottesmann, in der Grundschule zu unterrichten, während sein Abt ihm mit Konsequenzen droht, weil er bis hin zu den Gottesdiensten ständig Musik vom iPod lauscht, mit ehrfürchtiger Vorliebe solcher von Bob Dylan.

Zu den weiteren nicht alltäglichen aber vom praktizierenden Arzt und Psychiater Hochgatterer beeindruckend glaubhaft gezeichneten Figuren gehört eine junge Mutter, die ihr Neugeborenes für des Teufels hält. Und nicht zu vergessen der soeben haftentlassende Jugendliche Daniel Gassilek. Sein unverändert brutales Verhalten macht ihn nach einschlägigen Vorstrafen schnell zum Hauptverdächtigen im Mordfall an dem Großvater. Oder könnte seine jüngerer Bruder unter seiner perversen Beeinflussung die brachiale Tat begangen haben?

Wenn dieser Björn in „seinen" Kapiteln selbst von sich und seinen psychopathischen Tiermetzeleien erzählt, fröstelt es einen. Doch vieles ist nur vordergründig offensichtlich in diesem fesselnden Psychogramm einer ansonsten eher durchschnittlichen Kleinstadt. Der Autor wird nie reißerisch, zugleich gelingen ihm immer wieder elegante und doch glaubhafte Wendungen, wie auch sämtliche der markant gezeichneten Charaktere überzeugen. Schließlich laufen die scheinbar parallelen Handlungsstränge in raffinierter Logik zu einem überraschenden Finale zusammen, das verblüfft und dennoch absolut stimmig ist. Hochgatterers anspruchsvolle und hochathmosphärische Erzählkunst hat damit einen differenzierten und zutiefst menschlichen Roman geschaffen, der auch ein spannender Krimi ist.

 

 

# Paulus Hochgatterer: Die Süße des Lebens; 294 Seiten; Deutiscke Verlag, Wien; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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