MARY L. D. WILSON: "DIE WELT WIRD NIEMALS ENDEN"

Schöpfungsmythen, Fabeln und Legenden der Dakota-Indianer erzählt der Geschichtenband "Die Welt wird niemals enden" von Mary Louise Defender Wilson. Doch dieses Buch hat seine Besonderheiten, denn die Autorin ist keine Schriftstellerin im eigentlichen Sinne, sondern eine der bekanntesten indianischen Erzählerinnen. Das wiederum muss wörtlich genommen werden, denn die indianische Kultur ist eine ausschließlich mündliche und die 76-Jährige hat die Geschichten wirklich nur bei entsprechenden Versammlungen erzählt.

31 davon hat der Ethnologe Michael Schlottner im Jahre 2003 per Tonband aufgezeichnet und aus dem zur Sioux-Sprache zählenden Dakota-Idiom ins Deutsche übertragen. Sie liegen nun erstmals vor und das nur in dieser deutschen Fassung. Aber auch sonst sollte sich niemand wundern, wenn er eine der Erzählungen mal mit abweichenden Passagen oder Bezeichnungen hört, gehört es doch zur indianischen Tradition, sich beim Erzählen der Athmosphäre des Ortes und der Stimmung des Publikums anzupassen. Wenn dann das allgemein Gültige und das Überpersönliche in den überlieferten Geschehnissen von der jeweiligen Erzählsituation geprägt wird, entsteht eine fesselnde, zeitlos lebendige Gegenwärtigkeit.

Das sollte man wissen, wenn man nun die zumeist alt-hergebrachten Fabeln vom freundlichen Koyoten, von den Steinwesen und der Ordnung am Firmament liest in den so genannten Ohunkankan-Geschichten aus fernen Zeiten. "Wagmuhawin, die Frau mit der Kürbisrassel", so der authentische Name der Erzählerin, berichtet von der Entstehung der Dinge, der unterschiedlichen Sprachen und etlichen archetypischen Gestalten der indianischen Kultur bis hin zu Unktami, dem hinterlistigen Spinnenmann, der bei all seinen Gaunereien schließlich doch immer der Dumme ist.

Es sind mythische Geschichten, zuweilen von geistvollem Humor durchsetzt und stets mit diesem Wunsch nach Harmonie mit dem Leben und der Natur. Um so faszinierender wirkt da die eher moderne Erzählung, die dem Band seinen Titel gab: "Die Welt wird niemals enden". Diese Überzeugung entspricht ganz und gar der indianischen Sicht von der Entstehung und der Endlosigkeit unserer Welt, die so ganz im Widerspruch zu christlichen Thesen von Hölle, Weltuntergang und Jüngsten Gericht steht. Das hat dann eine tiefe Weisheit in sich und schon deshalb ist dieses einzigartige Buch eine faszinierende Lektüre.

 

# Mary Louise Defender Wilson: Die Welt wird niemals enden (übertragen von Michael Schlottner); 207 Seiten; Insel Verlag, Frankfurt; € 17,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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