DIDIER VAN CAUWELAERT: "DAS EVANGELIUM NACH JIMMY"

Raten Sie mal, welche Gemeinheit Bill Clinton seinem Nachfolger George W. Busch vererbt hat – einen geklonten Jesus! Dummerweise kann der auch nicht zu einer zweiten Wiederwahl verhelfen, denn erstens ist der Bengel erst 1994 aus der Leihmutter geschlüpft und zweitens verschwunden, nachdem das Labor, in dem er anfangs lebte, abgefackelt wurde. Als dann nach dem Interregnum einer demokratischen Präsidentin mit Bruce Nellcott ein Republikaner – zwar schwul, aber was soll's – ins Weiße Haus einzieht, wird der jetzt 32-jährige Klon Christi per Genanalyse aufgespürt.

"Das Evangelium nach Jimmy" heißt die hinreißend komische Geschichte, die der französische Erfolgsautor Didier van Cauwelaert geistreich, frech und wunderbar respektlos daraus gemacht hat. Geklont aus einem Blutstropfen vom Grabtuch von Turin, das ja bekanntlich dem echten Jesus umgelegt worden sein soll, lebt der einfache junge Mann ein karges Leben als Swimmingpoolreparateur im US-Staat Connecticut. Bei Adoptiveltern aufgewachsen, führt er die Existenz eines friedfertigen, leicht übergewichtigen, schlappen Typen.

Bis die Abgesandten des Weißen Hauses ihn unter ihre Fittiche nehmen, damit er den politischen Zwecken des Präsidenten nütze. Für Jimmy ist das ein Schock, aber auch für die Abgesandten, als sie erfahren, dass er nicht an Gott glaubt. Und er will nicht den Jesus-Hampelmann für den nächsten Wahlkampf spielen. Trotzdem rutscht er zunehmend in seine Rolle und seitens der Regierung kommen die üblichen nützlichen Chargen zum Einsatz bis hin zur weiblichen Leibwächterin, die ihren Job mit vollem Körpereinsatz versieht.

Jimmy kommt auf den Geschmack, zumal ihm erste kleine Wunder gelingen wie die Vermehrung der Brote mit Hilfe eines Donut-Automaten und die Wiederbelebung eines Verkehrsopfers. Andererseits macht er seinen Gönnern nicht so recht Freude, denn beim Bibelstudium zieht er haarsträubend logische Schlüsse und entdeckt so manchen Widerspruch in den Evangelien. Doch dem Messias-Lehrling und den US-Chargen steht die eigentliche Bewährungsprobe erst noch bevor: ohne Vatikan-Zertifikat ist dieser Jimmy-Jesus nämlich nichts wert. Dass das auch prompt schiefgeht ist naheliegend, mehr soll hier aber von dem ebenso skurrilen wie spannenden Finale dieser absolut filmreifen Gesellschaftssatire nicht verraten werden.

Jimmy ist durchweg sympathisch dargestellt und wenn er in seinen Passagen als Ich-Erzähler fungiert, blühen die ohnehin hervorragende Dramaturgie und der herrliche Sprachwitz ganz besonders. Urkomisch und zugleich von einer gewissen Tragik durchzogen, beweist dieser fabelhafte Roman mehr als nur die Erkenntnis, dass nicht im modernen Russland sondern in den USA das wahre Absurdistan zu finden ist.

 

# Didier van Cauwelaert: Das Evangelium nach Jimmy (aus dem Französischen von Olaf Matthias Roth); 406 Seiten; Rütten & Löning, Berlin; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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