GIESEN/HOBSCH: "HITLERJUNGE QUEX, JUD SÜSS..."

Antisemitismus, Militarismus und Geschichtsklitterung prägten die Propagandafilme des Dritten Reiches und den ersten davon gab es quasi als Morgengabe für Hitler und Goebbels: drei Tage nach der Machtergreifung kredenzte man ihnen im Februar 1933 die Filmpremiere zu "Morgenröte", einen handwerklich hervorragend gemachten Uboot-Film. Seine berühmte Kernaussage begeisterte den Filmfan Goebbels: "Zu leben verstehen wir Deutschen vielleicht nicht; aber sterben, das können wir fabelhaft."

Unter den Nazis entstanden dann von 1933 bis Kriegsende 1150 Spielfilme, von denen aber nur gut ein Zehntel als direkte Propaganda anzusehen sind. Die Filmexperten Rolf Giesen und Manfred Hobsch haben nun unter Auswertung teils bisher unveröffentlichten Materials ein großvolumiges Kompendium vorgelegt, das das von Goebbels fanatisch angetriebene und indoktrinierte Filmschaffen mit den wesentlichen Beispielen der besonderen Spezies ausführlich vorstellt. "Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches", dieser Titel umreißt gleich drei exemplarische Titel vom Machtantritt über den Kriegsbeginn bis zum Niedergang. Das üble Machwerk um den Hitlerjungen allerdings war selbst Goebbels zuwider, denn er wollte den künstlerisch hochwertigen Film, der vom Geist des Nationalsozialismus durchdrungen sein sollte.

Als Virtuose der Volksbeeinflussung wollte er das Führerprinzip, den Krieg und das Militär nicht mit brachialen Holzhammerfilmen indoktrinieren. Neben der Gleichschaltung der Filmindustrie diente dazu die Verpflichtung der Kinobesitzer ab 1934, so genannte Kulturfilme mit entsprechenden Botschaften im Vorprogramm zu zeigen. Eine große Hilfe bei der Zuordnung der verschiedenen Filme sind die für jedes Jahr vorgeschalteten Kurz-Chroniken der allgemeinen Ereignisse. Deutlich wird zudem, dass das Gros der vielen Unterhaltungsfilme nur unterschwellig ideologisch unterfüttert war und vor allem Optimismus und Lebensfreude fördern sollte.

Mit Kriegsbeginn verordneten Hitler und sein filmverrückter Adlatus dann auch eine Welle antisemitsicher Filme. Die gipfelte in dem üblen Machwerk "Jud Süss", in dem eine Vielzahl größter Stars mitwirkte, allen voran Heinrich George, der sich auch sonst für keine Propagandarolle zu schade war. Einschließlich der in dem gigantischen Durchhaltefilm "Kolberg", der zum Kriegsende fertig wurde, allerdings kaum noch bespielbare Kinos vorfand.

Ergänzt wird dieses opulente Kompendium, das man schon jetzt als Standardwerk zum Thema einordnen kann, durch einen Essay zum NS-Film, eine Auswahl von Kurzfilmen sowie die Kurzbiografien einiger Hauptakteure des Kinos im Dritten Reich. Ein unverständliches Manko muss man dem ansonsten so hochwertig gestalteten Buch allerdings ankreiden: diesem umfangreichen Nachschlagewerk fehlt ein Namens- und Titelregister.

 

# Rolf Giesen, Manfred Hobsch: Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches; 502 Seiten, 385 Abb., Großformat; Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin; € 49,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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