JOHN UPDIKE: "LANDLEBEN"

John Updike ist der große alte Mann der US-Literatur und stets standen Sex und Ehebruch im Mittelpunkt seines unermüdlichen Schreibens. In seinem neuen Roman "Landleben" ist das nicht anders und dennoch weit mehr als das: eine virtuos erzählte Tragikomödie des Alterns und sein Protagonist Owen Mackenzie steht am Anfang der 70er wie der Autor selbst.

In der typischen Provinz des Ostens der USA aufgewachsen, wird diese erotische Biografie Owens zugleich zu einer Kleinstadtchronik und in faszinierender Weise – quasi nebenher und dennoch dramaturgisch als wichtiges Gerüst integriert – die Geschichte der Computer, durch die Owen zu bescheidenem Wohlstand gekommen ist. Wenn er nun morgens lauscht, ob Julia, zweite Ehefrau seit 25 Jahren, schon in der Küche werkelt und ihn möglichst nicht mit erotischen Anwandlungen in Verlegenheit bringen wird, dann schweifen die Erinnerungen in geradezu quälender Hellsicht zurück in die Vergangenheit.

Da waren die frühen ahnungslosen Begegnungen mit dem Sexus, der eine so durchgehende Rolle in seinem Leben spielen sollte, doch nicht nur die hitzig unbeholfenen Teenager-Affären in den spießigen 50er Jahren haben so manchen eher peinlichen Beigeschmack. In der Ehe mit der kühlen Phyllis mit vier zu schnell gezeugten Kindern und allmählichem wirtschaftlichem Aufstieg scheint es typisch für seine Erziehung und die verbliebene Naivität, dass er zum ersten Fremdgehen noch verführt werden muss. Um es alsbald zum fast alltäglich praktizierten Hobby zu machen. Die Libertinage der 60er und vor allem der 70er Jahre mit der Pille und noch vor Aids ließen selbst moralische Bedenken schnell schwinden und Owen ist beherrscht von dieser tief innewohnenden Sehnsucht nach dem Moment der Vereinigung, "der einen Mann mit dem Universum in Einklang versetzt."

Der scharfe, illusionslose Blick Updikes auf seinen Helden, der ihm so ähnlich zu sein scheint, wird abgemildert durch Ironie und Sarkasmus. Ehebrecher, Verführer und Verführter war er und das Ewig-Weibliche beherrschte ihn seit Mutters harscher Reaktion auf den knäblichen Fund eines Kondoms. Und doch, nachdem er sich derartig angenehm in die ungefährdete eheliche Fleischeslust mit der geliebten Julia eingewöhnt hat – immerhin spannte er sie damals einem Geistlichen aus – werden die Probleme mit der Lust jetzt im Alter größer fast als die immer wieder gesuchte wohlige Erinnerung an ihr Ausleben.

Das aber ist gewohnt anschaulich geschildert und nur wenige Autoren verstehen es so vollendet, Frauen in ihrer ganzen Weiblichkeit zu beschreiben sowie "die Sache an sich" in den verschiedensten, teils drastischen Ausformungen. Doch mit dieser Sprachmagie sind selbst Grenzüberschreitungen gekonnt und ermüden auch nicht durch die Vielzahl der Akte. Sie sind ja noch präsent, diese Erinnerungen, zuweilen genauer als bekömmlich in ihrer Unwiederbringlichkeit im Angesichte des fortschreitenden Verfalls. Und Updike hat seinen Helden so meisterhaft exemplarisch geschaffen, dass gewiss mancher Leser dessen alterssehnsüchtigem Seufzer beipflichten wird: "Wie wenig verdienen Männer doch die Schönheit und das Erbarmen der Frauen!"

 

# John Updike: Landleben (aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel und Helmut Frielinghaus); 414 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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