WOLFGANG JESCHKE: "DAS CUSANUS-SPIEL"

"Die Zeit ist eine Ausformung Gottes", sagte einst der Kirchenreformer und Naturforscher Kardinal Nikolaus Cusanus (1401-1464) und "Das Cusanus-Spiel" hat der vielgerühmte Science-Fiction-Autor Wolfgang Jeschke seinen großen neuen Roman genannt. Spielerisch geht es darin allerdings ganz und gar nicht zu, denn das Geschehen findet großenteils in einer realistisch dargestellten, wenig einladenden näheren Zukunft statt.

Man schreibt das Jahr 2052 und die frischgebackene Biologin Domenica Ligrina lebt in einem Rom, das faschistische Horden in einen Schreckensort alltäglicher Anarchie verwandelt haben. Doch auch das restliche Europa steht am Abgrund, zumal eine atomare Katastrophe im Jahre 2028 große Teile Deutschlands und seiner Nachbarn verwüstet hat und außerdem die Auswirkungen der Klimaveränderungen immer dramatischer werden. Ein mysteriöses vatikanisches Institut arbeitet derweil fieberhaft an Lösungen zur Renaturierung des Kontinents und sieht die einzige Chance in der Vergangenheit.

Ich-Erzählerin Domenica und andere Wissenschaftler sollen deshalb in einem brisanten Zeitreise-Projekt ins Mittelalter gehen, um Pflanzen und Samen zu sammeln. Die mutige junge Frau wählt bewusst die Zeit um 1450, als der von ihr bewunderte Cusanus wirkte. Aber so sehr sie das Leben im alten Köln auch schätzt und erfolgreich beim Sammeln ist, sie begeht entscheidende Fehler und wird als Hexe angeklagt. In ihrer Not sendet sie Briefe an den einflussreichen Kirchenmann, die in ihrem Wissen jener Zeit weit voraus sind. Doch – gelangen die Briefe überhaupt bis zu ihm und kann er sie retten?

Gleich mehrfach taucht Cusanus in authentischen Szenen auf, die jedoch jedesmal einen anderen Verlauf andeuten. Ohnehin ist dieser grandios verschachtelte Roman voller überraschender Wendungen ohne je seinen schlüssigen roten Faden zu verlieren. Jeschke zieht zudem ein brillantes Spiel der Wechselwelten und Paralleluniversen auf, das bei aller Fantasie dennoch nie ins Spinnerte abgleitet, vielmehr auf anspruchsvollem Niveau bis zuletzt eine ungeheuere Sogwirkung ausübt.

Es sind beunruhigende Visionen, die der Autor eindrucksvoll heraufbeschwört, zugleich besticht er durch die unendliche Fülle an Ideen, wo selbst eine missglückte Mars-Mission zur Randepisode wird. Das Alles wird von durchweg hervorragend gezeichneten Charakteren getragen und wenn es zum Finale nicht das eine große Happyend gibt, ist dies kein Fehler und lässt vielleicht gar auf eine Fortsetzung hoffen.

 

# Wolfgang Jeschke: Das Cusanus-Spiel; 703 Seiten; Droemer Verlag, München; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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