FERNANDA EBERSTADT: "LIEBESWUT"

Diese Autorin gilt es hier noch zu entdecken: Fernanda Eberstadt, die mit "Liebeswut" jetzt ihren dritten fulminanten Roman vorlegt. Sie erzählt die vermeintlich altbekannte Liebesgeschichte von Zweien, die einander unwiderstehlich anziehen, obwohl Welten sie trennen. Und ist die Liebe erst im Alltag angekommen, muss sie unweigerlich scheitern.

Dennoch gelingt der jungen Amerikanerin eine unvergleichliche neue Geschichte, die von seltener Intensität geprägt ist. Gwen, 31 Jahre alt und Karrierefrau von der Upper West Side im mondänen Manhattan, begegnte dem Puppenspieler Gideon auf einer ihrer vielen Geschäftsreisen nach Russland. Der kauzige Lebenskünstler wohnt als Habenichts in einer schäbigen Wohngemeinschaft in der Lower East Side von New York. Ihr Leben könnte unterschiedlicher kaum sein, doch als es zwischen ihnen "funkt", tut es das gewaltig und trotz aller Intelligenz und Eigenarten unausweichlich.

Gwen arbeitet tagsüber, Gideon des Abends, nach Mitternacht aber gehört die Zeit ihnen allein und das exzessiv sinnlich. Bis Gwen unerwartet schwanger wird und sie bei aller Ambivalenz gegenüber der Kombination von Job und Familie sich entschließt, das Baby zu bekommen. Noch lebt jeder außerhalb des Zaubers der gemeinsamen Stunden in seiner eigenen Welt, bis Gwen in ihrer bestimmenden Art den zögernden Gideon sogar zur Ehe überredet. Beide jedoch sind mit schweren Narben aus der Kindheit auf der Seele behaftet und es ist bestürzend, wie rapide sich die zusammengefügten Hälften einer Liebe sich zu entzweien vermögen.

Keine schwereren, gar mythischen Schicksalsschläge zerbrechen diese Liebe, vielmehr entspinnt sich eine fast normale, fast alltägliche Tragödie und man trauert hilflos mit diesen beiden Menschen mit. Es sind intelligente, sympathische Charaktere, beide nicht unschuldig oder schuldig und dennoch zerreiben sie sich an den Gegensätzen von Mann und Frau, aber auch an ihren Klassengegensätzen, ihren Weltanschauungen und zuletzt an ihrem aus den frühen seelischen Verletzungen wildgewachsenen Stolz.

Die ganze Faszination dieser mit sezierendem Blick erzählten Geschichte entwickelt sich allerdings zur letzten Vollendung erst aus der hinreißenden Sprachmagie der Autorin, die in der meisterhaften Übertragung durch Judith Schwaab dankenswerterweise erhalten blieb. Im spannungstreibenden Präsenz geschrieben, gelingen da funkelnde Sätze von herber Poesie, eingebettet in den ansonsten zupackenden, eindringlichen Erzählstrom. Selten erlebt man zwei Romanfiguren so persönlich, so vertraut und das schließlich krönt das große Lesevergnügen an diesem virtuos verfassten Roman.

 

# Fernanda Eberstadt: Liebeswut (aus dem Amerikanischen von Judith Schwaab); 686 Seiten; Kindler Verlag, Reinbek; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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