MICHAEL KRÜGER: "DIE TURINER KOMÖDIE"

Rudolf war ein berühmter deutscher Schriftsteller mit einer Profesur in Turin. Nun hat er sich mit Anfang 60 das Leben genommen und seine todkranke Witwe bestimmte seinen besten Freund zum Nachlassverwalter. Der reist aus Deutschland an und hat bald immer neue Gründe, über den Verblichenen und seine vielen Geheimnisse, Absonderlichkeiten und Affären zu staunen.

Bericht eines Nachlassverwalters hat Michael Krüger seinen neuen Roman "Die Turiner Komödie" untertitelt und den gibt der zunehmend verwirrte Freund als Ich-Erzähler ab. Eingenistet in Rudolfs Wohnung, deren Dachterrasse einen seltsamen Zoo beherbergt, bröckelt mit jeder neuen Erkenntnis über den gefeierten Literaten mehr von dessen hochmögender Fassade ab. Ein misanthropischer Melancholiker war er ebenso wie ein Weiberheld, der mindestens drei Witwen hinterlässt. Aber war er wirklich auch das vermeintliche Genie?

Der Freund fühlt sich zunehmend überfordert von der Widersprüchlichkeit dieser Persönlichkeit aber auch von den kistenweisen Hinterlassenschaften an papiergewordener Arbeitswut. Und Rudolf wird ihm sogar zuwider in seiner skrupellosen Lebensgier: "Er hatte ganz offenbar seine Zeit damit vertrödelt, mehrere Leben zu führen." Doch da sind ja auch die gemeinsamen Zeiten als chaotische Studenten mit typischer 68-er-Attitüde, aber hat ihn Rudolf nicht schon damals manipuliert und ausgenutzt und das nicht nur bei den Damen?

Der Nachlassverwalter geht dazu über, Rudolfs Vita zum Positiven zu korrigieren. Dafür schmuggelt er sogar immer mehr brisantes Material in seiner Reisetasche aus der Wohnung. Mit ungeahnten und dann doch mit gewisser Genugtuung hingenommenen Folgen, denn auf diese Weise wird das womöglich wahre große Werk des Literaten unwiderbringlich zerstört. Das ist dann zwar kein Vorsatz des Nachlassverwalters, billigend in Kauf genommen aber hat er es allemal.

Dass diese Geschichte gleichwohl nicht zu einer verbissenen Abrechnung sondern zu einer ebenso tiefsinnigen wie leichtfüßigen Komödie gerät, ist das Verdienst des Autors und dieser nüchternen, treffsicheren Sprache, die den geistreichen Ausflug in Licht und Schatten des Literaturbetriebes souverän mit einem Unterton der Selbstironie unterlegt. Michael Krüger, selbst aus der Generation Rudolfs stammend, kennt als erfolgreicher Verleger und Schriftsteller das Sujet bestens, wohl deshalb gelingt ihm zu diesem Thema auch ein solch köstlicher Hauch von Satire über allem.

 

# Michael Krüger: Die Turiner Komödie; 191 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 16,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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