PHILIPPE DJIAN: "REIBEREIEN"

Philippe Djian ist ein Berserker der Gefühlsverwirrungen, in seinem neuen Roman "Reibereien" aber ist es geradezu umgekehrt: das eine, unverrückbare Gefühl ist die unbeugsame Konstante bis zur letzten Zeile und alles andere hat vor ihr keine Chance.

Diese fatale Gefühlsbindung ist jene des Ich-Erzählers zu seiner Mutter. Als er elf Jahre alt war, verschwand der Hallodri von Vater und der Junge gab der alleingelassenen Mutter ein verhängnisvolles Versprechen: er werde sie niemals allein lassen. Mutter jedoch erweist sich als recht verkommenes Miststück, das säuft und wahllos herumhurt. Vor allem aber triezt sie den Sohn mit unverhohlener Verachtung und vereinnahmt ihn zugleich auf unentrinnbare Weise.

In fünf Episoden, die jeweils etwa zehn Jahre auseinanderliegen, schildert der Ich-Erzähler ein unstetes Leben, das zwar nicht erfolglos aber ohne eigenes Liebesglück in ständigem Auf und Ab und viel Chaos verläuft. Keine Beziehung hat eine Überlebenschance, außer dieser einen zur Mutter, an der er trotz ihrer zuweilen tief verletzenden Attitüden in fatalistischer Hingebung hängt. Dabei beschert ihm der alltägliche Wahnsinn allerlei schrille Wendungen, die er jedoch mit Wut und Gleichmut, mit gedämpftem Entsetzen und klammheimlicher Genugtuung hinnimmt.

Es sind dieses Schicksals skurrile Waltungen, wenn seine langweilende schwangere Frau umkommt, nachdem sie ihn gerade beim Seitensprung erwischt hat, oder wenn der betagte Liebhaber seiner halbwüchsigen Tochter in seinen Armen den letzten Haucher tut. Nur Mutter bleibt mit all ihren Lastern und Schrullen und dem Hang zur Verkommenheit steter Mittelpunkt der Emotionen, der Zuneigung, eines trotz allem wie selbstverständlich empfundenen tiefen Verantwortungsgefühls.

Geschrieben ist das ebenso direkt und ironisch wie lebensnah und temporeich. Mag manches auch morbide erscheinen, dieser kaputte Protagonist und seine schräge Lebensgeschichte fesseln ungemein und Philippe Djian beweist einmal mehr seine wortgewaltige Virtuosität als Meister hintergründiger Beziehungsromane.

 

# Philippe Djian: Reibereien (aus dem Französischen von Uli Wittmann); 234 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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