THOMAS BRUSSIG: "WIE ES LEUCHTET"

Von wem anders als von Thomas Brussig hätte man den längst überfälligen Wenderoman erwarten können?! Selbst 1965 in Berlin geboren, hat er seine DDRler mit seinen bisherigen Romanen ja schon mit spitzer Feder und leichter Hand in ihrem ganz speziellen So-Sein entlarvt. Mit dem opulenten "Wie es leuchtet" setzt er nun jenem 'Deutschen Jahr' ein grandioses Denkmal jenseits des von manch anderem Literaten bei diesem Thema zu befürchtenden Bierernst.

Nichts wirklich Wesentliches fehlt in diesem nie nachlassenden Spannungsbogen zwischen der Ausreisewelle im Sommer 1989 bis zur Währungsunion im Sommer 1990, obwohl Brussig mit einer Vielzahl von Einzelgeschichten vorgeht. Es geht um Aufbruch, um Wendehälse, alte und neue Ost-Befindlichkeiten, aber auch einer wie Schalck-Golodkowski wird in seiner kaum zu glaubenden Großartigkeit eingeflochten. Entscheidend für das Stimmige dieses Romans aber sind die durchweg gelungenen Verknüpfungen der Ereignisse vor historisch authentischem Hintergrund samt Montagsdemos, Begrüßungsgeld und ersten freien Wahlen.

Brussig hat eine Fülle von Figuren für das allumfassende Puzzle-Panorama erfunden, die treffsicher und mit schnellem Strich Charakter und Herkunft erhalten. Zu den wichtigsten zählen die 19-jährige Krankenschwester Lena aus Karl-Marx-Stadt, die es in die Hitparade schafft, und der extrem von sich überzeugte Leo Lattke vom SPIEGEL – als Paar bilden sie eine Art Prisma der Sichtweisen. Man lese genau: die Details stimmen und sind für sich bereits geballte Realsatire, einschließlich jener Wessis, die sich überwiegend als wahrhaftige Stiefbrüder und Stiefschwestern erweisen.

Da treibt der 19-jährige Hochstapler Schniedel sein Unwesen mit der wessi-typischen Attitüde, durch viel Schein Eindruck zu schinden. Und immer wieder die hinreißenden Kuriosa mit dem Echtheitsstempel des erfahrenen Ossis wie der Kripo-Oberleutnant, der für das Verhör des verhafteten Schniedel extra vorher nach West-Berlin: "Er wollte sich nach Menschenrechten für Westdeutsche erkundigen." Auch sonst funkelt so mancher Satz des Sprachvirtuosen und sei es nur zur Bedeutung des Trabi: "Ein Volk, das mit diesem Auto bis ans Schwarze Meer gefahren ist, muss man in seinem Fernweh ernst nehmen."

Brussig erstickt nicht in Analysen und Reflektionen sondern erzählt mit gnadenloser Freundlichkeit und vordergründig naivem Blick drauflos. Er spießt gekonnt auf, was an dem großen Glück von 1989/90 fade schmeckt und es ist diese faszinierende Leichtigkeit seines Stils, die aus dem schicksalhaften Geschehen ein ganz großes, niveauvolles Lesevergnügen macht.

 

# Thomas Brussig: Wie es leuchtet; 607 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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