VIKTOR PELEWIN:"DIE DIALEKTIK DER ÜBERGANGSPERIODE.."

Schräg, schrill und voll ätzender Satire über das real existierende Putin-Russland ist der neue Roman des russischen Kult-Autors Viktor Pelewin. "Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin" heißt er und wie groß der postsowjetische Wahnwitz tatsächlich sein muss, zeigt schon die schlichte Tatsache, dass dieses ebenso wortgewaltige wie subversive Werk in Russland höchste Preise eingefahren hat.

Nach der Breschnew-Ära in "Generation P" nun also die Gegenwart im neo-kapitalistischen Wilden Osten, wo die zentrale Figur Stepan Michailow so weit von westlichen Vorstellungen von Normalität entfernt ist, dass dieser geradezu zwangsläufig steile Karriere machen muss. Stepan, mondkalbig von der äußeren Erscheinung, hatte Finanzwirtschaft studiert, als die Sowjetunion zerbrach. Obsessiv beseelt vom Zahlenwahn der 34 als kabbalististischer Mystik, wird er erfolgreich, eben weil er dadurch für Andere so unberechenbar ist. Und die schießwütigen Ausraster seiner tschetschenischen Leibwächter zeitigen einen willkommenen Nebeneffekt: "Als Schuft und Mörder zu gelten könnte hierbei von Nutzen sein, es schützt einen vor der menschlichen Niedertracht."

Noch besser schützt dann jedoch das "Dach", das Geheimdienst-Major Lebedkin Stepan angedeihen lässt. Ein wenig teurer aber ungleich komfortabler. Zumal es eine Negativzahl für den Banker gibt, die 43. Der entsprechende Geburtstag und der plötzlich auftauchende Konkurrent Firkin – er ausgerechnet mit dieser 43 als magischer Glückszahl! – erfordern Maßnahmen und dafür gibt es in dieser Übergangsperiode keinerlei Schranken von Ethik und Ästhetik. Da gehört es zu den skurrilsten Feinheiten, wie sich der schwule Firkin vor den Folgen der allgegenwärtigen Geheimdienstschnüffelei im Schlafzimmer schützt: zur Kulisse gehört dort ein Porträt des milde lächelnden Putin im Judo-Dress!

Auch ansonsten schwelgt Pelewin einmal mehr in abgründigsten Fantasien und manch verwegenen Metaphern. Mal lakonisch, mal wortreich überbordend durchschreitet er mit sezierendem Blick und zynischen Peitschenhieben eine groteske Tragikomödie, die das Ende so offenlässt wie die Zukunft des aktuell pseudo-demokratischen Absurdistan, das offiziell Russland heißt.

 

# Viktor Pelewin: Die Dialektik der Übergansgperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin (aus dem Russischen von Andreas Trettner); 348 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 22,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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