ANDREA STUART: "DIE ROSE VON MARTINIQUE"

Es ist vielleicht die gründlichste Biographie, die es bisher zu Josephine, der Gattin von Napoleon Bonaparte, gegeben hat, denn die Verfasserin Andrea Stuart untersucht auch die jungen Jahre der Tochter eines verarmten Plantagenbesitzers. Hilfreich dürfte dabei gewesen sein, dass die Autorin selbst von Martinique stammt, wo Marie-Josèphe-Rose de Tascher de la Pagerie 1763 geboren wurde. Das erklärt auch den etwas seichten Titel "Die Rose von Martinique", denn Rose war der Rufname.

Untersucht werden eingangs die Lebensumstände auf der Antilleninsel und wie sich die Sklavenaufstände, aber auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen französischen Kolonialherren und englischen Aggressoren auf ihr Leben auswirkten. Bei der Beschreibung der jugendlichen Rose als umschwärmte, exotisch schöne Kreolin kommt dieser Biographie zugute, dass sie von einer Frau geschrieben wurde, der man eine sachlich objektive Darstellung in derlei 'unwissenschaftlichen' Detailfragen gewiss leichter abnimmt. Was übrigens bei späteren Passagen über Napoleons sehr intime Äußerungen zu Roses/Josephines erotischen Vorzügen mindestens ebenso zutrifft und die Beschreibungen vom Ruch der Effekthascherei befreit.

Andrea Stuart schildert das bewegte und wenig glückliche Leben Roses vor Napoleon mit eindringlicher Genauigkeit und zeichnet so ein Charakterbild, das viele Verhaltensweise an seiner Seite verständlicher macht. Da wurde sie während der Revolution zur Witwe des hochrangigen Alexandre Beauharnais, litt selbst im Gefängnis, nachdem sie zuvor um das Wohl ihrer Kinder gekämpft hatte. Um dann freizügig ein ausschweifendes Liebesleben zu genießen, von dem die Autorin viele der ihr nachgesagten Affären bestätigt.

Das ohnehin bei aller gründlicher Recherche und umfassender Darlegung der sich ständig verändernden politischen Verhältnisse ausgesprochen mitreißend geschriebene Buch erklimmt seinen Gipfel, als es zur Doppelbiographie einschließlich des korsischen Nationalhelden wird. Die Faszination der sechs Jahre älteren und ebenso attraktiven wie erfahrenen Frau für Napoleon wird verständlich gemacht, aber auch der über viele Jahre ungeheuere Einfluss Josephines auf sein Denken und Handeln. Mit viel psychologischem Gespür beschreibt die Autorin, wann und warum das Verhältnis zwischen den Beiden schließlich kippt, bis es aus dynastischen Gründen sogar zu Verbannung und Scheidung kommt.

Diese Biographie einer der einflussreichsten Frauen der Weltgeschichte schildert ein wahrhaft bewegtes und dramatisches Leben. Abgesehen von der eher peinlichen und unnötigen Einflechtung jener durch nichts belegten Prophezeiung einer Wahrsagerin in der Jugend, sie werde mal größer als eine Königin sein, ist dieses Werk auch ein hochklassiges Geschichtsbuch zur Französischen Revolution samt ihres Entstehens und der Folgen.

 

# Andrea Stuart: Die Rose von Martinique. Die vielen Leben der Joséphine Bonaparte (aus dem Englischen von Sabine Herting und Wieland Grommes); 640 seiten, div. Abb.; Karl Blessing, München; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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